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Channel: Finanzielle Freiheit Archive – Frugalisten
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Frugalist oder Waschlappen: Bist du bereit für finanzielle Freiheit?

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Willkommen bei den Frugalisten. Was du hier liest wird vermutlich alles was du bisher über das Leben und den Umgang mit Geld gehört hast auf den Kopf stellen. Aber immer der Reihe nach…
Deine Freunde, deine Eltern und die Leute im Fernsehen haben es dir wahrscheinlich so erklärt: Das Leben ist teuer und unsere Renten sind nicht sicher. Darum musst du 40 Jahre lang Tag für Tag arbeiten gehen, damit du dir leisten kannst was man zum Leben eben so braucht. Und wenn du dich ordentlich anstrengst, kannst du vielleicht sogar ein bisschen was auf die hohe Kante legen, damit du in deinen wenigen verbliebenen Lebensjahren als Rentner nicht Pfandflaschen sammeln gehen musst.

Zum Glück ist das alles absoluter Käse. Die Wahrheit ist: Dieser Standard-Lebensentwurf ist komplett irrational, fast zum Heulen verschwenderisch und darüber hinaus auch noch fürchterlich langweilig. Während die meisten nämlich brav diesem Lebensmodell folgen, schaffe ich es einfach durch Vernunft und einen etwas genügsameren Lebensstil genug von meinem normalen Einkommen zu sparen, dass ich noch vor meinem 40. Geburtstag ausgesorgt haben werde und den Rest meines Lebens verbringen kann wie und womit ich will. Und das Beste daran: Ich habe währenddessen auch noch deutlich mehr Spaß.

Sobald du dich vom Waschlappen-Leben verabschiedest und dich einfach nur auf ein gutes und glückliches Leben konzentrierst, merkst du, dass dafür gerade die Dinge wichtig sind, die so gut wie kostenlos zu haben sind: deine Freunde und deine Familie, einer sinnvollen und erfüllenden Beschäftigung nachzugehen, immer Neues dazu zu lernen und sich spannenden Herausforderungen zu stellen. Du lernst, deine Probleme selbst in die Hand zu nehmen, statt immer nur andere dafür zu bezahlen. Du merkst, dass viele der teuren Annehmlichkeiten, die du noch gestern für „notwendig“ erachtet hast, in Wahrheit mindestens überflüssig sind oder deinem guten Leben sogar im Weg stehen. Und indem du diese nach und nach loswirst, hast du auf einmal Geld übrig. Eine Menge Geld. Dann ist es plötzlich die reinste Aufwärmübung, mit der Hälfte deines Einkommens auszukommen. Was aber machst du mit der anderen Hälfte? Ganz einfach: Du sparst sie und baust dir so nach und nach ein ordentliches Vermögen auf. Hättest du es gedacht? Wenn du die Hälfte deines Einkommens zurück legen kannst, musst du gerade einmal 17 Jahre arbeiten, bis du finanziell unabhängig bist und nie wieder für Geld arbeiten musst. Wenn du sogar mit nur einem Drittel deines Einkommens auskommst, wie ich es tue, kannst du dich über ein kurzes Arbeitsleben von nur 10 Jahren freuen. Was mache ich mit dem gesparten Geld? Ich investiere es in Indexfonds, Anleihen oder Immobilien, so dass mir das passive Einkommen aus Dividenden, Zinsen und Mieteinnahmen nach ein paar Jahren meinen Lebensunterhalt finanzieren wird.

In diesem Blog wird es um Geld und Geldanlage gehen, darum wie man mit weniger Geld besser und reicher lebt und wie ich Tag für Tag meiner finanziellen Unabhängigkeit entgegen steuere. Wenn du also bereit bist für die geballte Ladung Frugalisten-Power, dann herzlich willkommen! Und falls du bereits einer von zahlreichen deutschen Frugalisten und Financial Independence-Anhängern bist, dann hoffe ich dass du dich hier gut aufgehoben fühlst und vielleicht noch einige Anregungen findest. Let’s rock!


So funktioniert finanzielle Unabhängigkeit

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Wie du bereits im ersten Artikel erfahren hast, vertrete ich einen ziemlich anderen Lebensentwurf als den, den deine Freunde und Mitmenschen dir bisher immer vorgelebt haben. Während die meisten Menschen nämlich ihr langweiliges Waschlappenleben leben, 40 Jahre lang Tag für Tag zu ihrem Job gehen und ständig darüber jammern wie kostspielig doch das Leben ist, lebe ich wie ein epischer Superheld und schaufele nebenbei jeden Monat zwei Drittel meines Gehalts auf mein Sparkonto. Dadurch werde ich in einem Alter, in dem viele ihre Midlife-Crisis erleben, genug angespart haben, um nie wieder für Geld arbeiten zu müssen.

Diese Idee ist gar nicht mal neu, sondern schon seit vielen Jahrzehnten unter dem Begriff FIRE bekannt, was für Financial Independence and Retiring Early steht (zu deutsch: Finanzielle Unabhängigkeit und früh in Rente gehen). Eine Menge Bücher, Blogs und eine stetig wachsende Community berichten mittlerweile regelmäßig von Einzelpersonen und Familien, die mit einem normalen Einkommen und einem frugalistischen Lebensstil mit 30 oder 40 (und somit Jahrzehnte vor dem staatlichen Rentenalter) finanzielle Unabhängigkeit erreicht haben und währenddessen mit weniger Geld besser und reicher leben als die meisten ihrer Mitmenschen.

Wie wird man finanziell frei?

Um so reich zu sein, dass du nie wieder arbeiten gehen musst, brauchst du natürlich eine Stange Geld. Wie aber kriegst du die? Vielleicht im Lotto gewinnen, ein zweites Facebook gründen oder von der reichen Großmutter erben? Dafür braucht man ziemliches Glück und darauf würde ich mich nicht verlassen. Wie sich herausstellt, gibt es nur eine sichere Methode, um reich zu werden: Du musst weniger ausgeben, als du verdienst und die Differenz sparen!
Das auf diese Weise Monat für Monat gesparte Geld legst du an, damit es wachsende passive Einkünfte generiert (z.B. Dividenden, Zinsen oder Mieteinnahmen). Irgendwann werden diese Einkünfte groß genug sein um deine Ausgaben vollständig zu decken. Dann brauchst du deinen Job nicht mehr zum Leben und bist finanziell frei!
Aber wie viel Geld muss man dafür ansparen? Als grobe Faustregel kannst du dir merken: Etwa das 25-fache deiner jährlichen Ausgaben. Hier offenbart sich die wahre Frugalisten-Power: Je weniger Geld du zum Leben brauchst, desto massiv schneller wirst du finanziell frei, da du sowohl jeden Monat mehr zum Sparen übrig hast als auch insgesamt weniger ansparen musst, bis du davon leben kannst. Bei einer Sparquote von 50 % brauchst du so etwa 17 Jahre bis du finanziell frei bist, bei 60 % noch 13 Jahre. Glaubst du nicht? Mit diesem Rechner hier kannst du das mal ausprobieren und ein bisschen mit den Zahlen spielen (ist allerdings auf Englisch, solange dich das nicht stört).

Noch ein Wort zum Passiven Einkommen

Passives Einkommen bedeutet, dass du nicht jeden Tag aufs Neue in deinem Job arbeiten musst, um Geld zu verdienen (das wäre ein aktives Einkommen, weil du dafür aktiv ackern musst), sondern stattdessen einmalig Arbeit investierst und danach dauerhaft Einnahmen erhältst, selbst wenn du den ganzen Tag auf der faulen Haut liegst. Du könntest zum Beispiel ein Buch schreiben oder ein Musikstück komponieren, das immer wieder und wieder verkauft oder im Radio gespielt wird. Da ich aber weder Beststeller-Autor bin noch begnadeter Komponist, fällt diese Möglichkeit für mich wohl aus. Stattdessen verlasse ich mich auf passive Einkommensquellen, die für jedermann zugänglich sind: Aktien, Anleihen oder Immobilien. Wie die im Detail funktionieren, erkläre ich im nächsten Artikel.

Winterbericht 2015: Erster Job und 70% Sparquote

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Auch wenn mein Blog noch ein ziemlicher Frischling in der deutschen FIRE-Community ist, so lese ich doch schon seit einiger Zeit auf den Blogs meiner Kollegen, die sich ebenfalls auf dem Weg in die finanzielle Freiheit befinden. Die meisten berichten dabei regelmäßig über ihre Fortschritte und veröffentlichen zum Beispiel ihre aktuellen Ausgaben und Einnahmen oder die Zusammenstellung ihres Wertpapier-Depots. Die Leser sind auf diese Beiträge verständlicherweise ziemlich scharf, denn wenn jemand schon großspurig behauptet, mit 40 ausgesorgt haben zu wollen und in Rente zu gehen, möchtest du diese Behauptungen ja auch mit handfesten Zahlen untermauert sehen. Alexandra von Sauerkraut und Zaster schreibt beispielsweise jeden Monat einen Sparquotenbericht, in dem sie ihre Ausgaben und Einnahmen des vergangenen Monats und die daraus resultierende Sparquote detailliert aufschlüsselt. Und wie sie in ihrem jüngsten Bericht verrät, sind diese sogar die meistgelesenen Beiträge auf ihrem Blog.

Auch ich habe darüber nachgedacht, ob und in welchem Format ich über meine Fortschritte in Richtung finanzielle Freiheit berichten soll. Ein monatlicher Bericht ist mir persönlich zu häufig, da es mir gar nicht darum geht, hier den Kauf jeder einzelnen Milchtüte zu dokumentieren, sondern einen Einblick in meine finanzielle Gesamtsituation zu geben, damit meine ganzen Rechnungen und anderen Artikel glaubwürdiger und besser nachzuvollziehen sind. Darum habe ich mir überlegt, dazu ein halbjährliches Update zu schreiben, eines im Winter und eines im Sommer. Das hier ist jetzt also mein erster Bericht zur Lage der Nation. Los geht’s:

Ausgaben

Da die Mieten in England deutlich teurer sind als in Deutschland, haben sich Joana und ich bei unserer Auswanderung überlegt, statt eine eigenen Wohnung lieber ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft zu mieten, was in England viele Berufstätige so machen. So teilen wir uns nun zu zweit die Miete für unser geräumiges, möbliertes WG-Zimmer, für das jeder von uns umgerechnet rund 250 € im Monat bezahlt, inklusive aller Kosten. Das Wohnzimmer, die Küche und die beiden Bäder nutzen wir gemeinsam mit unseren fünf sehr netten Mitbewohnern.

Meine Ausgaben für Lebensmittel sind trotz des Umzugs nach England, wo die Lebensmittelpreise allgemein als höher gelten, nur wenig gestiegen. Während meiner Studentenzeit in Deutschland habe ich durchschnittlich etwa 90 € für Lebensmittel und Essen im Monat ausgegeben, in den vergangenen Monaten in England waren es 105 €, von denen durchschnittlich 95 € auf Lebensmitteleinkäufe und 10 € auf Essen gehen außer Haus oder Lieferservices entfallen.

Da ich mein Master-Studium in Bremen noch nicht vollständig abgeschlossen habe, bin ich in Deutschland nach wie vor als Student (im Urlaubssemester) eingeschrieben. Daher zahle ich einen Semesterbeitrag in Höhe von (auf den Monat umgelegt) knapp 20 €, sowie rund 80 € im Monat für die studentische Krankenversicherung. Für weitere Versicherungen (zum Beispiel meine Haftpflicht-Versicherung) kommen etwa 15 € monatlich zusammen, eine Berufsunfähigkeits-Versicherung habe ich derzeit noch nicht.
Ein weiterer großer Posten ist zur Zeit meine Monatskarte für die Zugfahrt von Wolverhampton nach Stafford, für die etwa 190 € fällig werden. Da wir darauf hoffen, bald näher an meine Arbeitsstelle ziehen zu können, reduziert sich dieser Betrag in der Zukunft hoffentlich deutlich.

Alle weiteren „sonstigen“ Ausgaben bezifferten sich in den letzten Monaten auf etwa 150 € im Monat. Das waren vor allem Anschaffungskosten für meine Fahrräder und Fahrrad-Ersatzteile, Zugfahrkarten zu Bewerbungsgesprächen sowie Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke. Aber auch mein Prepaid-Tarif fürs Smartphone fällt darunter, für den ich etwas weniger als 10 € im Monat ausgebe, gelegentliche Partyabende, die mit durchschnittlich 15 € im Monat zu Buche schlagen oder der Kinobesuch im neuen Star-Wars-Film. Oder auch mal eine neue Zahnbürste.

Einnahmen

Die vergangenen Monate waren natürlich besonders spannend, da ich Ende Oktober meinen ersten richtigen Job angetreten und damit auch meinen ersten Lohn erhalten habe.
Während meiner Zeit als Student bestand mein Einkommen noch aus Unterstützung von meiner Familie und einem Stipendium (zusammen 650 €) sowie unregelmäßigen Nebeneinnahmen, zum Beispiel indem ich Webseiten für Kunden entwickelt oder hier und da etwas von meinen Krempel bei eBay verkauft habe. Dadurch standen mir rund 1100 € monatlich zur Verfügung. Gelebt habe ich zu dieser Zeit von gut 500 € im Monat, wodurch ich das Glück hatte, schon während meiner Studienzeit jeden Monat etwa 600 € zur Seite legen zu können.
In meinem Vollzeitjob als Softwareentwickler erhalte ich jetzt einen Nettolohn von monatlich etwa 1700 Pfund (umgerechnet rund 2300 €). Vom meinem Brutto-Lohn fließen 4 % in eine betriebliche Altersvorsorge, zu der mein Arbeitgeber noch einmal 7,5 % zusätzlich beisteuert. Das nennt sich employer match und ist in England relativ verbreitet. Diese betriebliche Altersvorsorge kann ich mir zwar erst mit 55 Jahren auszahlen lassen, man könnte sie aber je nach Sichtweise auch noch zum Nettoverdienst hinzuaddieren, wodurch ich auf ein Nettoeinkommen von etwa 2500 € kommen würde.
Außerdem gibt es momentan noch einen kleinen glücklichen Umstand: Da ich meinen Job genau in der Hälfte des englischen Steuerjahres angetreten und vorher noch nicht in England gearbeitet habe, bleibt mein Einkommen bis zum Ende des Steuerjahres im April unterhalb des englischen Steuer-Freibetrags. Dadurch erhalte ich bis dahin steuerfreie 2500 € bzw. mit employer match 2700 € im Monat.

Zusammenfassung

Monatliche Ausgaben

Miete: 250 €
Essen: 105 €
Krankenversicherung: 80 €
Semesterbeitrag: 20 €
Sonstige Versicherungen: 15 €
Monats-Zugticket: 190 €
Sonstiges: 150 €
Ausgaben gesamt: 810 €

Monatliche Einnahmen

Je nach Sichtweise 2500 € oder 2700 €, den Steuervorteil für die ersten sechs Monat mit eingerechnet.

Damit kann ich zur Zeit jeden Monat rund 1700 bzw. 1900 € von meinem Einkommen für meine finanzielle Freiheit zurück legen, bei einer Sparquote von rund 67,6 bzw. 70,0 %.
Mein Gesamtvermögen beträgt derzeit rund 33.000 €, von denen der größte Teil alte Ersparnisse aus meiner Zeit als Zivildienstleistender und Student sind. Dieses Geld ist derzeit auf ein Tagesgeldkonto und ein älteres ETF-Portfolio aufgeteilt, das ich Anfang 2014 im Rahmen meiner ersten ETF-Gehversuche angelegt habe. Über meine genaue Vermögensaufteilung und mein künftiges Investment-Portfolio berichte ich aber bald nochmal in einem eigenen Beitrag.

Was wünschst du dir noch in meinem Bericht? Würdest du gerne bestimmte Ausgaben genauer aufgeschlüsselt haben? Oder hättest du zukünftig gerne mehr Detailinformationen über mein Wertpapierdepot? Du kannst mit entscheiden, wie der Sommerbericht 2016 und die folgenden Berichte aussehen werden. 🙂

Hasta la vista Hamsterrad: Tritt der Lifestyle-Inflation in den Hintern

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Am Ende des Monats noch weit mehr als die Hälfte des Einkommens übrig zu haben ist für viele Menschen nicht vorstellbar. Wie schaffe ich das? Natürlich kann man behaupten, ich hätte es einfach: Ich muss keine Familie ernähren, habe keine Schulden und auch wenn ich gerade erst Berufseinsteiger bin, verdiene ich als Softwareentwickler doch gar nicht mal so schlecht. Das alleine kann aber nicht der Grund sein. Denn viele, die in einer ganz ähnlichen Lebenssituation sind wie ich und genauso viel oder sogar mehr verdienen, sparen von ihrem Einkommen gerade mal 10% oder auch einfach gar nichts.

Lifestyle-Inflation: Die Falle schnappt zu

Mit dem Uni-Abschluss und dem ersten Job hast du plötzlich richtig Geld in der Tasche. Damit verändert sich dein Leben: Du ziehst raus aus der WG oder Studentenbude in eine geräumigere Wohnung. Der neu gewonnene Platz möchte natürlich auch befüllt werden, also schaffst du neue Möbel, Küchengeräte, und noch einen schicken Flachbild-Fernseher an. Weil deine Zeit durch die 40-Stunden-Woche jetzt knapp ist, kaufst du dir ein Auto für den Arbeitsweg und in den kurzen Mittagspausen holst du dir schnell was vom Bistro nebenan. Am Wochenende erholst du dich beim Einkaufsbummel oder einem guten Kinofilm von der anstrengenden Arbeitswoche und deine Urlaubstage verbringst du jetzt nicht mehr am Baggersee, sondern etwas stilvoller auf Fuerteventura oder in Thailand. Ein gutes Gefühl, dass du bei diesen Aktivitäten endlich nicht mehr aufs Geld schauen musst. Und obwohl du jetzt drei- bis viermal soviel davon zur Verfügung hast, ist dein Konto am Ende des Monats trotzdem auf Null.
Das wäre ja alles gar kein Thema, wenn du dadurch auch ein drei bis vier Mal zufriedeneres und glücklicheres Leben führst. Komischerweise habe ich als Student von den „arbeitenden Erwachsenen“ aber immer zu hören bekommen: Genieß das Studentenleben, denn diese Zeit ist die beste deines Lebens und kommt nicht wieder! Moment, wie war das? Das würde ja bedeuten, dass sich mein Leben gar nicht großartig verbessert, sobald ich Geld verdiene!

Und tatsächlich: Die ersten paar Monate ist dein neues Leben mit mehr Geld noch toll und aufregend. Aber weil wir Menschen so anpassbare Gewohnheitstiere sind, gewöhnst du dich nach kurzer Zeit an deinen neu gewonnen Luxus und der Zeiger deines Zufriedenheitsbarometers senkt sich langsam wieder Richtung Ausgangszustand.
Damit stehst du bereits mit einem Bein in einem gefährlichen Teufelskreis, der Lifestyle-Inflation. Die eigene Wohnung und der Gebrauchtwagen sind bald nichts besonderes mehr. Als nächstes ziehst du in eine Wohnung in besserer Lage und mit Dachterasse und statt dem alten Polo gönnst du dir einen Jahreswagen mit Klimaanlage. Aber auch daran hast du dich nach ein paar Monaten wieder gewöhnt. Dann möchtest du irgendwann vielleicht ein großes eigenes Haus haben und einen Audi Sport. Aber du kannst deinen Lebensstandard so oft updaten wie du möchtest: Es liegt in unserer Natur als Homo Sapiens, uns immer wieder an die unterschiedlichsten Bedingungen anzupassen, weshalb wir vom Urwald bis nach Grönland die ganze Erde mit ihren unterschiedlichen Lebensbedingungen besiedeln konnten. Und darum wirst du dich auch einfach immer wieder an deinen höheren Lebensstandard gewöhnen, ohne dass sich dein Leben danach spürbar besser anfühlt als vorher.

Während dein Lebensglück von einer größeren Wohnung und teureren Hobbies also weitgehend unbeeinflusst bleibt, gilt das leider nicht für deine finanzielle Situation: Deine Lifestyle-Updates kosten dich nämlich richtig Geld. Und zwar nicht nur ein paar Hunderter oder Tausender, sondern schlichtweg alles Geld was du hast. Wenn du deinen Lifestyle nämlich immer im Gleichtakt an dein steigendes Einkommen anpasst, kannst du verdienen soviel du willst: Du musst immer weiter jeden Tag arbeiten gehen und am Monatsende ist dein Konto leer. Selbst wenn du jahrelang ein üppiges Chef-Gehalt verdienst, ist davon am Ende nichts mehr übrig, sondern für die Finanzierung deines inflationierten Lebensstils drauf gegangen.

Ich mache daher um diesen Teufelskreis einen großen Bogen. Statt mit meinem höheren Einkommen meinen Lebensstil ohne nachhaltigen Nutzen immer weiter aufzublähen, verwende ich es lieber dafür, finanziell frei zu werden. Als Student habe ich von 650 € im Monat ein gutes Leben gelebt. Ich hatte immer eine Menge Spaß und habe nie wirklich etwas vermisst. Jetzt verdiene ich mehr als dreimal soviel Geld. Gebe ich darum auch dreimal soviel aus? Nein, warum sollte ich auch.

Zeig dem Hamsterrad, wer der Boss ist

Lifestyle-Inflation macht dir die Taschen leer und fesselt dich für lange Jahrzehnte an deinen Job, ohne dein Leben zu verbessern. Wenn du dich aber so schnell an immer mehr und immer größer gewöhnst, ohne dass deine langfristige Zufriedenheit steigt, könntest du diesen Effekt nicht auch umkehren? Wie wäre es, wenn du die hedonistische Adaption, die bei der Lifestyle-Inflation gegen dich arbeitet, nicht stattdessen für dich arbeiten lässt, einfach indem du dich mal an weniger und kleiner gewöhnst?

Wie wäre es als also mit Lifestyle-Deflation? Statt dir einfach wieder nur das nächste Waschlappen-Bequemlichkeits-Upgrade zu kaufen, brichst du dieses Mal aus der Komfortzone aus und erlebst was. Statt immer mehr Krempel anzuschaffen, reduzierst du deine Besitztümer. Statt eine immer größere Wohnung zu mieten ziehst du in eine etwas kleinere. Du lässt dein Auto stehen (oder besser noch: verkaufst es gleich komplett) und trainierst stattdessen deine Kondition auf dem Fahrrad: Erst zehn, dann fünfzig, dann hundert Kilometer. Statt dich in immer teureren Restaurants bedienen zu lassen, lernst du selbst etwas neues zu kochen und lädst am Wochenende deine Freunde zum Essen bei dir ein. Statt das neue iPhone mit Allnet-Flat zu kaufen behältst du dein altes Handy, besorgst dir einen günstigen Minutentarif und verbringst statt stundenlang zu surfen die Zeit mit deiner Familie oder liest ein tolles Buch. Was am Anfang noch eine Herausforderung darstellt, fühlt sich dank Lifestyle-Deflation nach kurzer Zeit völlig normal an.

Während deine Waschlappen-Freunde jetzt den Kopf schütteln und beschwören, dass du ohne deine Lifestyle-Upgrades bestimmt an Lebensqualität verlierst, ist in Wahrheit genau das Gegenteil der Fall. Mit Lifestyle-Deflation machst du nämlich ganz automatisch die Sachen, die dir echte langfristige Zufriedenheit bringen: Du nimmst dein Leben selbst in die Hand, lernst neue Fähigkeiten und entwickelst deine Persönlichkeit weiter. Du wirst körperlich fitter, isst gesünder und verbringst mehr Zeit in der freien Natur. Du verabschiedest dich von den Sachen, die dich nicht weiter bringen und steckst die freigewordene Zeit und Energie in deine sozialen Kontakte.
Und einfach so ganz nebenbei, während du dich eigentlich nur darauf konzentrierst, ein besseres Leben zu führen, sparst du die vielen hunderttausend Euro ein, die du ansonsten im Laufe deines Lebens in sinnlose Lifestyle-Upgrades versenkt hättest. Und die kannst du jetzt in deine Freiheit investieren, damit du noch mehr Zeit damit verbringen kannst, ein tolles Leben zu führen. 

Auf diese Weise spare ich den größten Teil meines Einkommens, während viele meiner Zeitgenossen ihren Lifestyle bis an ihre Einkommensgrenze aufblasen. Eines Tages fragen sie sich dann, wie ich so reich geworden bin, während bei ihnen das Geld nie länger als bis ans Monatsende gereicht hat. Hast du auch schon Bekanntschaft mit der Lifestyle-Inflation gemacht und deinen Lebensstandard erhöht, einfach nur weil du plötzlich ein höheres Einkommen hattest? Auch wenn die Fernsehwerbung und deine Arbeitskollegen so tun als wäre das der Weg zu einem erfolgreichen und glücklichen Leben: Ist es nicht. Wenn du in deinem Leben etwas erreichen und nicht für immer im hedonistischen Hamsterrad auf der Stelle treten möchtest, dann musst du diesen kleinen Teufel bekämpfen. Dein Einkommen und deine Ausgaben sollten zwei voneinander unabhängige Größen bleiben.

Weißt du, was du wirklich brauchst? Meine drei Bedürfnisse für ein zufriedenes Leben

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Warum gehst du eigentlich arbeiten? Damit du dir etwas zu Essen, zum Anziehen und ein Dach über dem Kopf kaufen kannst? Das ist mit Sicherheit ein Grund, aber bestimmt nicht der einzige. Denn laut Statistik machen unsere durchschnittlichen Ausgaben für Wohnung, Kleidung und Nahrungsmittel nur etwas mehr als die Hälfte unserer gesamten Konsumausgaben aus. Ich vermute darum mal, dass du nicht nur fürs nackte Überleben jeden Morgen zu deinem Job arbeiten gehst, sondern weil du gerne ein erfülltes und zufriedenes Leben führen möchtest und davon überzeugt bist, dass hierfür die andere Hälfte deines Arbeitseinkommens (oder zumindest ein ziemlich dicker Batzen davon) erforderlich ist.

Wenn du also schon Jahrzehnte deines Lebens Tag für Tag früh morgens aufstehst und dich in deinem Job abrackerst, um diesen Zustand der Zufriedenheit zu erreichen, dann ist es sicher nicht verkehrt mal darüber nachzudenken, was so ein erfülltes und zufriedenes Leben eigentlich ausmacht. Aus diesem Grund hat Ex-Studentin Jenny vorige Woche eine Blogparade mit dem Thema Was brauche ich wirklich? gestartet und ihre Leser und Blogger-Kollegen dazu aufgerufen, Kommentare und eigene Artikel zu der Frage Was braucht ihr für ein zufriedenstellendes Leben? zu verfassen. Das hier ist mein Beitrag dazu.

Zunächst einmal sind die meisten Leute bei der Frage, was sie für ein zufriedenstellendes Leben eigentlich brauchen, einem fatalen Irrtum aufgesessen. Viele tun nämlich so, als wären ihnen ihre individuellen Bedürfnisse von Geburt an und völlig unveränderlich in ihren Genen einprogrammiert. Da heißt es dann: Damit ich mit meinem Leben zufrieden bin, brauche ich halt einfach einen großen Kleiderschrank, mein Auto und meinen Sommerurlaub auf Fuerteventura. Und solange diese Bedürfnisse nicht erfüllt sind oder drohen, nicht mehr erfüllt werden zu können, werden im Job Überstunden gemacht, bis man sich leisten kann was für die Zufriedenheit eben notwendig ist. Welche Bedürfnisse das genau sind, ist natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Wenn du wie ich als genügsamer Mensch auf die Welt gekommen bist und schon mit 800 € im Monat ein zufriedenes Leben führen kannst: Glück gehabt. Aber wehe der Zufriedenheits-Gott hat dir bei der Verteilung der individuellen Bedürfnisse den Sportwagen, die Luxusreisen und den Mahagoni-Fußboden zugelost. Tja, Pech gehabt: Das sind jetzt deine individuellen Zufriedenheits-Anforderungen und du bist leider für immer dazu verdammt, sie entweder zu erfüllen oder bis an dein Lebensende ein tristes Dasein voller unbefriedigter Wünsche zu fristen.

Du merkst schon: Das ist natürlich Quatsch. Was du für ein zufriedenstellendes Leben benötigst, wurde dir nicht von einer unsichtbaren Macht in die Wiege gelegt, sondern ist eine unmittelbare Folge deines bisherigen Lebensstils, deiner Erwartungen und deiner Wahrnehmung von deinen Mitmenschen und deiner Umwelt. Und diese Dinge werden wiederum maßgeblich von deinen eigenen Gewohnheiten, Gedanken und Handlungen bestimmt. Kurzum: Deine Bedürfnisse sind keine unverrückbaren Konstanten, sondern du selbst beeinflusst sie mit deinem Verhalten und deiner Sicht auf die Welt. Wenn du schon immer Ferrari gefahren bist, du Ferrari fahren als das Normalste der Welt ansiehst und deine Freunde und Nachbarn auch alle Ferrari fahren, dann wirst du vermutlich der Ansicht sein, dass ein Ferrari für deine persönliche Zufriedenheit eine unabdingbare Voraussetzung ist. Das ist aber eben kein Naturgesetz. Mit ein bisschen Anstrengung ist es ohne weiteres möglich, dass du stattdessen die Freude am Fahrrad fahren und dessen Vorteile entdeckst, dass du erkennst dass deine Nachbarn und Freunde in Wahrheit nur der Lifestyle-Inflation zum Opfer gefallen sind, und dass du Ferrari fahren wieder als Luxus wahrnimmst, den du dir (wenn es unbedingt sein muss) auch zweimal im Jahr mit einem Mietwagen erfüllen kannst. Und zack, plötzlich lebst du auch ganz ohne Ferrari das gleiche zufriedene Leben wie vorher.

Klo in IndienNagut, ein Ferarri ist schon ein krasses Beispiel und es fällt dir wahrscheinlich nicht schwer dir vorzustellen, dass man auch ohne so ein Ding ein zufriedenes Leben führen kann. Aber gewöhne dich doch einfach mal an folgenden Gedanken: Fast alles, was du für unabdingbar und für deine Zufriedenheit im Leben absolut notwendig hältst, ist in Wirklichkeit vollkommen optional und es ist ohne weiteres möglich, auch ohne diese Dinge ein zufriedenes Leben zu leben. Ein kleines (lustiges) Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: Stell dir vor, es gäbe in deinem Leben plötzlich kein Klopapier mehr. Du hast einen angemessenen Klopapiervorrat wahrscheinlich immer als einflussreichen Faktor für deine persönliche Lebenszufriedenheit gehalten. Als ich vor vier Jahren aber einmal für einige Zeit nach Indien gereist bin, habe ich vier Monate lang vollständig ohne Klopapier gelebt. Habe ich dadurch irgendwelche Einbußen in meiner Zufriedenheit feststellen können? Nö, nicht die Spur. In Indien reinigt man seinen Allerwertesten nämlich ganz einfach mit Wasser, was sich nach ein oder zwei Wochen völlig normal anfühlt, wenn man sich erstmal darauf eingelassen hat. Und wenn du jetzt schon ungläubig den Kopf schüttelst, dann lass dir erstmal folgendes durch den Kopf gehen: Mehr als die Hälfte aller Menschen auf der Welt benutzen kein Klopapier und leben teilweise sogar zufriedener als wir in Deutschland. Vielleicht ist Klopapier also gar kein unabdingbares Bedürfnis, sondern du hast dich einfach nur daran gewöhnt und kennst es nicht anders. Und alle deine Freunde benutzen es auch.

Damit wollte ich jetzt natürlich nicht sagen, dass du kein Klopapier mehr benutzen sollst, sondern lediglich verdeutlichen, wie sehr unsere Bedürfnisse eigentlich von unseren Gewohnheiten abhängen und damit veränderlich sind. 
In vielen Kommentaren lese ich immer wieder Aussagen wie diese: Ich lebe schon ein recht genügsames Leben: Ich habe nur die Dinge die ich wirklich brauche und nicht mehr. Das ist sicher schon ein guter Schritt, denn das bedeutet dass du darauf achtest, deinen Lebensstil nicht unnötig immer weiter aufzublähen und deine Bedürfnisse unbewusst immer weiter nach oben zu schrauben. Aber bedeutet es auch, dass du wirklich herausgefunden hast, was du für ein zufriedenes Leben brauchst? Oder hast du dich einfach nur an irgendeinen Lebensstandard gewöhnt, der im Laufe der Zeit zu deinen „Bedürfnissen“ geworden ist?
Meiner Meinung nach besteht die wahre Kunst im Leben nicht darin herauszufinden, dass man für ein glückliches Leben eine genau 135 Quadratmeter große Wohnung braucht und sich dann dafür abzurackern sich diese leisten zu können, sondern zu lernen, wie man auf nur einem Quadratmeter genauso zufrieden sein kann. Das zu erreichen ist natürlich ein steiniger und anstrengender Weg, aber die Mühe zahlt sich aus. Da deine Zeit und deine körperliche und psychische Leistungsfähigkeit ihre Grenzen haben, ist es unmöglich, eine immer größere Zahl von Bedürfnissen erfüllen zu können. Ein großes Haus, Fünf-Sterne-Urlaubsreisen und das Traumauto sind für die meisten von uns selten vereinbar mit dem Wunsch nach Selbstverwirklichung, persönlicher Entfaltung und Zeit für Hobbies und Familie. Wenn du dich aber darin übst, weniger für deine Zufriedenheit zu benötigen, kannst du deine verfügbare Zeit und Energie besser auf die wenigen verbliebenen Bedürfnisse fokussieren. Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Alles was dir zuvor als unabdingbares Bedürfnis vorkam, ist plötzlich wieder Luxus, den du richtig genießen und wertschätzen kannst, wenn du ihn dir hin und wieder mal gönnst. Du könntest also statt in einem großen Haus auch in einem kleinen Bungalow wohnen und den Großteil des so gesparten Geldes in deine wichtigeren Bedürfnisse investieren. Für einen kleinen Teil des Geldes könntest du dir dann ab und an ein Luxus-Wochenende im Hilton gönnen oder nach Paris oder Abu Dhabi fahren. So bleibt der Luxus Luxus und wird gar nicht erst zu einem Bedürfnis. Und wer weiß, vielleicht gefällt dir dein entspanntes Leben im Bungalow ja auf Dauer sogar besser?

Was sind denn aber nun meine wenigen, verbliebenen Bedürfnisse, die ich für ein zufriedenes Leben gerne erfüllt haben möchte?

Erstens: Eine geile Zeit

Meine Lebenszeit in dieser Welt ist naturgemäß beschränkt. Darum möchte ich später mal auf mein Leben zurück blicken können und sagen: Wow, du hast echt eine geile Zeit gehabt und richtig was erlebt! Wie aber kriegt man das hin? Im Gegensatz zur landläufigen Meinung braucht man dafür keine Vergnügungsparks, teure Restaurants und auch keinen Fallschirmsprung von Jochen Schweizer. Wie sich herausstellt, sind nämlich nur zwei einfache Voraussetzungen nötig, um im Leben eine erinnerungswürdige Zeit zu erleben: Du musst dich mit den richtigen Leuten in der richtigen Situation befinden. Dazu wieder eine kleine Geschichte aus meinem Leben:
In dem Sommer, in dem ich mein Abitur gemacht habe, bin ich jeden Tag in den nahe gelegenen Skatepark gefahren. Tagsüber habe ich mit meinen Freunden Tricks auf dem Skateboard geübt und immer abends nach Sonnenuntergang sind wir in den nahe gelegenen Park gegangen und haben ein gemütliches Lagerfeuer veranstaltet. Wir haben Gitarre gespielt, gesungen, Aldi-Brot und Döner gefuttert und Dosenbier getrunken, bis es irgendwann wieder hell wurde. Dann machten wir uns zum Schlafen auf den Weg nach Hause und trafen uns am Nachmittag wieder. Das war vielleicht ein wahnsinnig geiler Sommer! Und warum? Weil ich die richtigen Leute getroffen hatte, um so etwas machen zu können. Und weil es draußen warm und wir alle mehr oder weniger mit der Schule fertig waren und uns somit in der richtigen Situation dafür befanden. Mehr brauchte es nicht. Wir mussten nicht weit weg fahren, keine „Erlebnisse“ buchen und außer ein paar Euro für Brot und Dosenbier hat das ganze auch kein Geld gekostet. Allerdings war natürlich eine andere Voraussetzung nötig, womit wir zu meinem zweiten Bedürfnis kommen:

Zweitens: Freiheit

Ich möchte gerne morgens aufstehen und mir dann erst überlegen können, was ich an dem Tag machen möchte. Ich habe nichts dagegen, auch mal stunden- oder tagelang richtig hart zu arbeiten. Aber wenn am Tag darauf draußen hammermäßiges Wetter ist und so richtig schön die Sonne scheint, dann möchte ich auch einfach Skaten gehen oder eine Fahrradtour machen können. Ich möchte arbeiten und Dinge machen, weil es mir Spaß macht, und nicht weil es mir vorgeschrieben wurde oder ich das Geld benötige. Und ich möchte die Freiheit haben, mit den richtigen Leuten und in der richtigen Situation eine geile Zeit zu erleben, wenn es sich ergibt: Dann möchte ich mit meinen Freunden am Lagerfeuer sitzen können und nicht abends um halb sieben wieder nach Hause müssen, weil ich am nächsten Tag zur Arbeit fahren oder mein Auto in die Waschanlage bringen muss.

Drittens: Herausforderungen

Es gibt für mich fast nichts schlimmeres als ein Leben ohne Herausforderungen. Wenn für alles perfekt gesorgt ist und alle möglichst bequem und einfach zu erreichen ist, was habe ich dann noch zu tun, wofür ich kämpfen und arbeiten kann? Ich möchte immer etwas lernen, mich verbessern und lieber den schwierigen und herausfordernden Weg gehen statt den einfachen und bequemen. Dadurch lerne und erreiche ich nicht nur mehr, sondern habe mir mein Ziel dann auch richtig verdient. Deshalb kämpfe ich mich lieber auf dem Fahrrad durch Regen und Sturm statt mich langweilig in einem Motor-Rollstuhl durch die Gegend gondeln zu lassen. Darum versuche ich die Funktionsweise von kaputten Gegenständen zu verstehen und sie zu reparieren, statt sie wegzuschmeißen und neu zu kaufen. Darum gebe ich meine Finanzen nicht irgendeinem Berater in die Hand, sondern lese mir das notwendige Wissen an und manage meine Geldanlage selbst. Die Herausforderungen sollten dabei nicht zu leicht sein (sonst wären sie ja keine Herausforderungen mehr) und auch nicht unlösbar. Dann komme ich bei der Problemlösung nämlich in einen Flow-Zustand, der mich sogar glücklich macht und bei dem ich meine Fähigkeiten erweitere.

Das sind die drei Dinge, die ich für ein zufriedenes Leben gerne haben möchte und für die ich arbeiten gehe. Ein frugalistischer Lebensstil und Finanzielle Unabhängigkeit scheinen dafür genau der richtige Weg zu sein. Überdimensionierte Wohnungen, schicke Autos, Einbauküchen, Technik-Gadgets und anderer Krempel steuern absolut nichts zur Erfüllung meiner Bedürfnisse bei, also verzichte ich sehr gerne darauf. Stattdessen spare und investiere ich mein Geld und lasse es so für meine Freiheit arbeiten, so dass ich Entscheidungen immer frei von finanziellen Zwängen treffen und hoffentlich möglichst viele geile Zeiten erleben kann. Natürlich ist dieser Weg schwierig: Mit ein paar hundert Euro im Monat ein glückliches und erfülltes Leben zu führen und mit einem normalen Einkommen innerhalb von ein paar Jahren mehrere hunderttausend Euro anzusparen, das macht nicht jeder. Aber nach genau so einer Herausforderung bin ich ja schließlich auf der Suche.

Die 4 %-Regel: Wie viel Geld brauchst du, um nicht mehr arbeiten gehen zu müssen?

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Es ist eine Frage, die unter FIRE-Anhängern immer wieder heiß diskutiert wird: Wie viel Geld musst du eigentlich genau ansparen, damit du mit 30 oder 40 in Rente gehen und für den Rest deines Lebens von den Kapitalerträgen deines Vermögens leben kannst? Auch ich habe ja vor, noch vor meinem 40. Geburtstag finanziell unabhängig zu werden und dann nie wieder in einem Job für Geld arbeiten gehen zu müssen. Aber wie viel Geld brauche ich eigentlich genau dafür? Vielleicht eine Million? Oder sogar zehn Millionen Euro? Oder etwa doch viel weniger?

Die kurze Antwort: Das 25-fache deiner jährlichen Ausgaben

Ich formuliere die Frage einmal um: Wie viel Geld kannst du aus einer angelegten Geldsumme jährlich entnehmen, ohne irgendwann Pleite zu gehen? Denn genau das habe ich ja vor: Ich möchte so viel Geld ansparen, dass ich davon Monat für Monat meine Ausgaben bestreiten kann, ohne das Geld jemals aufzubrauchen. Die Kapitalerträge, die ich mit meiner Geldanlage erwirtschafte, treten dabei in eine Art Wettstreit mit meinen Ausgaben: Durch die Kapitaleinkünfte (das können zum Beispiel Zinsen, Dividenden, Mieteinnahmen oder Kurssteigerungen meiner Wertpapiere sein) wächst mein angelegtes Vermögen, durch das regelmäßige Entnehmen meiner Ausgaben schrumpft es. Angenommen du würdest dein Geld in ein festverzinsliches Wertpapier investieren, das dir jedes Jahr genau 2 % Zinsen ausschüttet, dann könntest du ebenfalls jährlich 2 % deines Vermögens ausgeben, ohne dass dein Geld mit der Zeit weniger wird. In der Praxis funktioniert diese Rechnung natürlich nicht so einfach. Risikoreichere Anlageformen wie etwa Aktien, mit denen du langfristig mehr als nur 2 % Rendite erzielen kannst, liefern nämlich keine so konstanten Erträge: Mal geht es sieben Jahre hintereinander nur bergab, dann geht es ein Jahr vielleicht gleich 30 % oder sogar 50 % aufwärts. Mit diesen starken Schwankungen kann man kaum kalkulieren. Und auch einfach den Durchschnitt der jährlichen Renditen zu bilden, hilft dir nicht weiter. Denn wenn du aus deinem Vermögen zusätzlich jedes Jahr Geld entnimmst, spielt auch die Reihenfolge eine Rolle, in der die Renditen in den einzelnen Jahren auftreten.1

Es muss also eine etwas kompliziertere Rechnung her, und genau so eine haben Forscher von der Trinity-Universität in Texas im Jahr 1998 aufgestellt. In der so genannten Trinity Study haben die Wissenschaftler ein fiktives Geldvermögen jeweils zur Hälfte in US-Aktien und Anleihen angelegt und dann berechnet, wie viel von diesem Vermögen man pro Jahr hätte ausgeben können, ohne innerhalb von 30 Jahren Bankrott zu gehen. Diesen Wert haben die Forscher dann für alle einundvierzig 30-Jahres-Zeiträume zwischen 1925 und 1995 ermittelt (also für 1925 bis 1954, 1926 bis 1955 und so weiter).2
Das Ergebnis: Selbst im ungünstigsten Fall (wenn du mit deinem Vermögen direkt vor dem großen Börsencrash von 1929 gestartet wärst), wärst du nicht pleite gegangen, wenn du deinem Ersparten jedes Jahr höchstens vier Prozent deines anfänglichen Vermögens entnommen hättest. Wenn du also 100.000 € je zur Hälfte in Aktien und Anleihen anlegst und die Renditen ungefähr so hoch und so verteilt sind wie in den von der Studie untersuchten Jahren, dann kannst du 30 Jahre lang jedes Jahr 4.000 € von deinem Geld ausgeben (und diesen Betrag sogar jährlich an die Inflation anpassen), ohne zu riskieren, dass dein Vermögen ganz aufgebraucht wird.
So einen konstanten (nur an die Inflation angepassten) Entnahmeanteil, bei dem das zu Grunde liegende Vermögen nicht aufgezehrt wird, bezeichnet man in der Vermögensplanung als Safe Withdrawal Rate (SWR, zu deutsch: Sichere Entnahmerate). Die Trinity Study schlägt damit also eine Safe Withdrawal Rate von 4 Prozent vor, was gleichzeitig auch unsere Frage vom Anfang beantwortet: Wenn du jedes Jahr 4 Prozent, also ein Fünfundzwanzigstel deines anfänglichen Vermögens ausgeben kannst, dann benötigst du umgekehrt das 25-fache deiner jährlichen Ausgaben, um diese vollständig durch dein angespartes Vermögen decken zu können und finanziell unabhängig zu sein.

„Halt, halt halt!…“

werden jetzt einige Leser mit Sicherheit schon schreien. Denn die Trinity Study und die daraus abgeleitete 4 %-Regel stehen in der FIRE-Community unter Kritik – und das nicht ganz ohne Grund: Die Studie prüft die getesteten fiktiven Vermögen nur daraufhin, nicht innerhalb von 30 Jahren aufgebraucht zu werden. Wenn ich aber mit 30 oder 40 in Rente gehe, dann muss mein Geld vielleicht fünfzig oder sogar sechzig Jahre reichen. Außerdem enthält das in der Studie untersuchte Wertpapier-Portfolio lediglich US-Aktien, die im gewählten Zeitraum zwischen 1925 und 1995 besonders hohe Rendite erzielten – höher als weltweite Aktien im gleichen Zeitraum – und auch die Renditen von Anleihen waren in diesem Zeitraum fast durchgehend höher als sie es heute sind. Darüber hinaus berücksichtigt die Trinity Study keine Steuerzahlungen, die in den USA zwar kaum ins Gewicht fallen, in Deutschland aber bis zu 26 % der Kapitalerträge ausmachen können. Es gibt also viele Gründe, die dafür sprechen, dass eine SWR von 4 Prozent zu hoch angesetzt ist: Lassen sich die Rendite aus dem getesteten Zeitraum in die Gegenwart übertragen? Wieviel Sicherheitspuffer muss ich einplanen, wenn mein Geld fünfzig oder sechzig Jahre reichen soll? Müsste ich vielleicht von vorneherein eine SWR von 3 Prozent ansetzen, um die Steuerbelastung mit einzuberechnen?

Wer aus diesen Gründen für eine niedrigere Entnahmerate plädiert, lässt dabei jedoch eine Sache außer Acht: Es gibt ebenfalls gute Gründe, warum eine SWR von 4 Prozent zu niedrig angesetzt sein könnte. Denn während das SWR-Modell davon ausgeht, dass ich stur jedes Jahr die exakt gleiche Summe ausgebe, kann ich meine Kapitalentnahmen im echten Leben anpassen. Während einer Wirtschaftskrise oder eines Börsencrashs reduziere ich meine Ausgaben oder nehme einen Nebenjob an, um die Entnahmen durch ein zusätzliches aktives Einkommen zu entlasten. Im Notfall mal für ein paar Monate ein bis zwei Tage die Woche arbeiten zu gehen bringt mich nicht um, reduziert aber die Gefahr, dass mein Vermögen aufgrund einer zeitweise schwachen Rendite aufgebraucht wird.

Genauso kann ich meine Entnahmestrategie anpassen. Im Extremfall entnehme ich meinem Ersparten einen festgelegten Anteil meines augenblicklichen statt meines anfänglichen Vermögens, womit ich die Safe Withdrawal Rate in eine Dynamic Withdrawal Rate (DWR) umwandle. Bei einer DWR von 4 % entnehme ich aus einem Vermögen von 100.000 € ebenfalls 4.000 €, schrumpft meine Anlagesumme im nächsten Jahr aber auf beispielsweise 80.000 €, dann entnehme ich nur noch 4 % der neuen Summe, also 3.200 €. Dadurch können zwar meine Entnahmebeträge zu klein werden, um meine Ausgaben zu decken, auf der anderen Seite ist die Gefahr des Bankrotts bei einer DWR-Strategie aber so gut wie ausgeschlossen. In der Realität ist vermutlich eine Mischung aus SWR und DWR sinnvoll, bei der ich innerhalb einer bestimmten Ober- und Untergrenze dynamisch entnehme, also beispielsweise vier Prozent meines augenblicklichen Vermögens, aber nicht weniger als 10.000 € und nicht mehr als 20.000 € im Jahr. Und last but not least: wer sagt eigentlich, dass ich generell nichts mehr nebenher verdiene, sobald ich finanziell unabhängig bin? Vielleicht starte ich ein Projekt, mache aus Spaß eine eigene Firma auf oder programmiere hier und da mal eine Website oder Software für einen Kunden, so dass ich nebenbei noch ein kleineres aktives Einkommen habe – natürlich auf rein freiwilliger Basis.

Meiner Ansicht nach ist es darum gar nicht so entscheidend, ob nun vier, dreieinhalb oder sogar nur zwei Prozent die „richtige“ Entnahmerate darstellen. Wichtiger ist eine sinnvolle Entnahmestrategie und flexibel auf sich ändernde Lebenssituationen (und Portfoliostände) reagieren zu können. Dann liefert dir die 4 %-Regel eine solide Faustregel dafür, wie viel Geld du benötigst, um finanziell unabhängig zu sein. Denn fest steht: Wenn du das 25-fache deiner jährlichen Ausgaben angespart hast, kannst du beruhigt deinem Chef die Kündigung auf den Tisch knallen. Selbst wenn die Börsen morgen zusammenbrechen und es nie wieder Zinsen oder andere Kapitalerträge geben würde: Auch ohne jede Rendite und bei 2 Prozent Inflation würde dein angespartes Vermögen schon rund 20 Jahre lang ausreichen. Mehr als genug Zeit also, in der du erstmal ausspannen, die Füße hochlegen und dich in Ruhe nach neuen Möglichkeiten umsehen kannst. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle sollte es soweit aber gar nicht kommen. Dann reicht dein Geld bis an dein Lebensende und du musst dir über deinen Job und Arbeitseinkommen keine Gedanken mehr machen.

1 Kleines Beispiel gefällig? Nehmen wir an du hast 1000 € angelegt und entnimmst aus diesem Vermögen pro Jahr 50 €. Jetzt kommt Fall 1: Hier erzielst du im ersten Jahr eine Rendite von 30 % und im zweiten Jahr von -10 %. Dein Vermögen wächst dadurch im ersten Jahr auf 1250 € und fällt im zweiten Jahr auf 1075 €. Jetzt drehen wir den Spieß um: In Fall 2 beträgt deine Rendite im ersten Jahr -10 %, im zweiten +30 %: Dann schrumpft dein Vermögen zunächst auf 850 €, wächst im zweiten Jahr aber nur noch auf 1055 €. Dieses Risiko einer ungünstigen Reihenfolge in der Renditeverteilung nennt sich in der Finanzwelt Sequence of Return Risk (SOR). Beim Ansparen eines Geldbetrags wirken sich zu Beginn steigende und später fallende Kurse für dich ungünstig aus, in der Entspar- bzw. Rentenphase ist es anders herum: Hier profitierst du von zu Beginn steigenden und später fallenden Kursen.

2 So ein Verfahren, bei dem eine Strategie auf Daten der Vergangenheit angewandt wird, nennt man auch Backtesting.

So gehe ich mit 40 in Rente – Mein Masterplan für die finanzielle Unabhängigkeit

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Schon in meinem allerersten Artikel habe ich frech behauptet, dass ich noch vor meinem 40. Geburtstag „in Rente“ gehen will. Das heißt, dass ich bis dahin ausgesorgt haben möchte und somit nicht mehr in einem Job für Geld arbeiten gehen muss. Bisher bin ich allerdings eine Erklärung dafür schuldig geblieben, wie genau ich es eigentlich erreichen möchte, dem geregelten Berufsleben ganze 27 Jahre vor dem staatlichen Renteneintrittsalter Lebewohl zu sagen. Das möchte ich in diesem Artikel nachholen.

So verrückt mein Plan auch klingen mag, das Prinzip dahinter ist denkbar einfach: Ich gebe einfach weniger Geld aus als ich in meinem Job verdiene und spare die Differenz. Mit 40 habe ich dann genug zur Seite gelegt, um für den Rest meines Lebens von meinem Ersparten und dessen Kapitalerträgen leben zu können. Das Sparen fällt mir ganz besonders leicht, seit ich mich von der vorherrschenden Meinung verabschiedet habe, dass man für ein glückliches Leben viel Geld braucht oder dass „wir alle sowieso bis 67 arbeiten müssen“ (meiner Meinung nach ist das nämlich totaler Unfug). So lebe ich momentan von gerade mal einem Drittel meines Nettogehalts (rund 800 €) und spare den gesamten Rest. Statt immer mehr zu konsumieren und mit steigendem Gehalt meinen Lebensstil aufzublähen, lebe ich einfach mein bescheidenes und zufriedenes Leben weiter und kann so schon mit 40 finanziell unabhängig von meinem Jobeinkommen sein.

Eines muss ich allerdings klar stellen: Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen: Man weiß nie, was kommt. Und das ist auch gut so, denn sonst würde es schnell langweilig werden. Besonders die Pessimisten kennen immer viele Möglichkeiten, warum so ein Plan platzen kann. Vielleicht werde ich Vater von Vierlingen, lande im Rollstuhl oder der Kommunismus kommt zurück und mein gesamtes Erspartes fällt an den Staat. Aber ich kann auch Glück haben: Möglicherweise werde ich zum stellvertretenden Geschäftsführer befördert und verdiene ein sechsstelliges Gehalt, bin morgen auf meiner Fahrt zur Arbeit der millionste Zugfahrgast und gewinne einen fetten Preis oder mein Blog wird bald weltberühmt und generiert mehr Einkommen als ich in meinem IT-Job verdienen könnte. In diesem Artikel möchte ich darum gar keinen detaillierten Lebensplan aufstellen (weil es so einen eben gar nicht geben kann), sondern einfach nur aufzeigen, dass ich mit einem normalen Einkommen und einem stinknormalen Leben ohne besonders viel Glück oder besonders viel Pech innerhalb von wenigen Jahren finanziell unabhängig werden kann.

Für meinen Masterplan brauche ich zwei Zutaten: Meine Einnahmen und meine Ausgaben. Der Rest ist dann fast nur noch reine Mathematik. Allerdings sind diese beiden Zutaten gar nicht mal so einfach zu ermitteln. Wer weiß schon, wieviel ich in der Zukunft ausgeben und wie viel ich verdienen werde? Das Beste was ich also machen kann ist, mit ein paar groben (aber einigermaßen realistischen) Abschätzungen zu kalkulieren.

Meine Ausgaben

Während des letzten halben Jahres habe ich monatlich rund 570 £ monatlich ausgegeben, das sind beim momentanen Wechselkurs knappe 720 €. Darin enthalten sind neben Warmmiete (240 €) und Ausgaben für Essen (110 €) auch mein Monatsticket für den Weg zur Arbeit (180 €) und die Kosten für mein derzeit pausiertes Studium (da vor allem die deutsche Krankenversicherung für rund 80 € im Monat). In den kommenden ein bis zwei Jahren wird sich an dieser Situation vermutlich erstmal nicht viel ändern. Was danach kommt, steht natürlich in den Sternen. Vielleicht ziehen wir in eine eigene Wohnung, gründen eine Familie und fahren ein paar Mal im Jahr in den Familienurlaub. Wie viel ich dann ausgebe? Ich habe keine Ahnung. Das hängt von zu vielen Faktoren ab, die sich jetzt noch unmöglich vorhersehen lassen. Für meine grobe Abschätzung nehme ich darum einfach mal ganz pessimistisch an, dass sich meine Ausgaben in der Zukunft glatt verdoppeln und auf nahezu verschwenderische 1400 € ansteigen1. Betrachtet man meine derzeitigen Ausgaben ohne das Monatsticket und die deutsche Krankenversicherung (das sind zwei Posten die ich langfristig unbedingt loswerden möchte), wäre das sogar eine knallharte Verdreifachung. Natürlich geschieht diese Ausgabenexplosion nicht von heute auf morgen, sondern langsam. Für meine Rechnung nehme ich darum an, dass meine Ausgaben in den kommenden zwei Jahren zunächst bei 800 € bleiben (also etwa dem aktuellen Niveau) und danach pro Jahr um 100 € ansteigen, bis sie 1400 € erreicht haben.

Masterplan Mit 40 in Rente - Ausgaben

Meine Einnahmen

Ich bin momentan 27 und arbeite als Softwareentwickler im ersten Berufsjahr. In meinem Job verdiene ich (inklusive meiner betrieblichen Altersvorsorge) rund 1.850 £ netto im Monat , das sind etwa 2.350 € bzw. 28.200 € im Jahr. Wie hoch mein Verdienst in den kommenden Jahren sein wird? Genau wie meine Ausgaben ist auch das vollkommen unklar und heute noch nicht abzusehen. Aber auch hier kann ich wieder eine grobe Abschätzung machen, mit der ich rechnen kann. Dazu habe ich mal recherchiert, wie viel ein heutiger Softwareentwickler mit 10 Jahren Berufserfahrung durchschnittlich so verdient. Verschiedene Quellen liefern zwar immer ein wenig unterschiedliche Angaben (und es kommt auch sehr auf die genaue Position, Branche, Firmengröße und Gegend an), aber im Mittel kann man diese Zahl wohl auf etwa 65.000 bis 70.000 € brutto beziffern. Also lege ich diese 70.000 € als mein geschätztes Bruttogehalt am Ende meines Berufslebens fest – dann bin ich immerhin schon 39 Jahre alt und seit 12 Jahren im Beruf. Mit Steuerklasse 1 (und ohne Kinderfreibeträge) bleiben von dieser Summe netto rund 43.500 €. Dazwischen wird mein Gehalt vermutlich in unregelmäßigen Schritten ansteigen. Wie genau, das weiß ich nicht, weshalb ich für meine Rechnung einfach linear zwischen heute und in 12 Jahren interpoliere: Angefangen bei 28.200 € kalkuliere ich mit einer jährlichen Steigerung von 1.275 €, bis ich mit 39 schließlich die angepeilten 43.500 € verdiene.

Masterplan Mit 40 in Rente - Einnahmen

Jetzt kommt die Rechnung: Habe ich mit 40 genug Geld zusammen?

Ich habe nun also eine grobe Abschätzung meiner zukünftigen Einnahmen und Ausgaben. Die Differenz, also das was ich am Ende des Monats übrig habe, investiere ich kontinuierlich, so dass das angesparte Geld in diesen 12 Jahren hoffentlich schon eine kleine Rendite erarbeiten kann. Wie hoch diese Rendite ist, das steht (wie alles andere auch) wieder in den Sternen. Gerade am Aktienmarkt geht es ja häufig drunter und drüber und zwölf Jahre sind für eine erfolgreiche Aktieninvestition noch kein besonders langer Zeitraum.  Es kann darum sein, dass ich nach 12 Jahren gar keine oder sogar eine negative Rendite eingefahren habe. Es kann aber genauso gut sein, dass sich mein Geld in dieser Zeit verdoppelt hat. Um wieder eine grobe Annahme zu treffen, kalkuliere ich darum mit einer Rendite von 4 % im Jahr, was für eine langfristige Aktieninvestition noch eine eher konservative Durchschnittsrendite ist. Das heißt, mein Geld wächst von Jahr zu Jahr zunächst um meine Sparquote (die Differenz aus Einnahmen und Ausgaben) und dann kommen nochmal jedes Jahr 4 % Kapitalerträge obendrauf.
Wie sich mein Vermögen im Laufe der Zeit und unter den getroffenen Annahmen entwickelt, zeigt die folgende Tabelle. Ich starte an meinem 28. Geburtstag (das ist in rund 7 Monaten) mit 55.000 €, so groß wird mein aktuelles Vermögen dann schätzungsweise sein.

Masterplan Mit 40 in Rente - Die Rechnung

An meinem 40. Geburtstag beträgt mein Vermögen dann rund 425.000 €. Erinnerst du dich noch an die 4 %-Regel? Das ist die grobe Faustregel dafür, wie viel Geld ich von meinem angesparten Vermögen pro Jahr ausgeben kann, so dass ich mit großer Sicherheit nie wieder für Geld arbeiten gehen muss und auch nicht Bankrott gehe. Vier Prozent von 425.000 €, das sind 17.000 €. Die würden ziemlich genau reichen, um meine Ausgaben von monatlich 1.400 € (16.800 € im Jahr) für den Rest meines Lebens zu decken. Damit wäre ich wäre ich mit 40 finanziell unabhängig.

Ob ich diesen Masterplan auch genau so durchführe, steht natürlich (ihr ahnt es schon) in den Sternen. Derzeit kann ich mir ebenso gut vorstellen, irgendwann auf einen Halbtagsjob zu wechseln und die finanzielle Unabhängigkeit entsprechend später zu erreichen, dafür aber in der Gegenwart mehr Freizeit zu haben (zum Beispiel wenn ich einmal Kinder habe und dann mehr Zeit mit meiner Familie verbringen möchte). Auch klammert meine Rechnung bisher völlig aus, dass wir ja eigentlich zu zweit sind. Wie, wo und wie lange Joana in der Zukunft arbeiten wird und möchte, das weiß ich nicht. Ich lasse mich also einfach mal von der Schachtel Pralinen überraschen. Was mein Plan aber zeigt: Wenn ich weiter eine typische Karriere als Softwareentwickler verfolge und mein Leben so zufrieden und frugalistisch wie jetzt weiter führe, dann brauche ich mit 40 vermutlich nicht mehr arbeiten zu gehen.

1 Ich höre schon die kritischen Stimmen: „1.400 € im Monat? Das reicht doch niemals im Leben!“. Wenn du auch dieser Meinung bist, dann bedenke: Vielleicht würde es für dich nicht reichen. Wenn du dich hier auf dem Blog umsiehst, dann stellst du aber vermutlich fest, dass ich in den meisten Lebensbereichen deutlich weniger ausgebe als der Durchschnitts-Deutsche und mittlerweile einige Kniffe auf Lager habe, um ein genauso zufriedenes und luxuriöses Leben mit nur einem Bruchteil der Ausgaben zu führen. Ich gehe einfach mal davon aus, dass sich das auch in der Zukunft so fortsetzen wird. Darum sind für mich 1.400 € schon eine gewaltige Stange Geld, mit denen ich ziemlich weit kommen kann.

Sommerbericht 2016 – 12.000 € in sechs Monaten gespart

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Seit meinem letzten finanziellen Lagebericht ist mittlerweile ein halbes Jahr vergangen und damit ist es wieder Zeit für einen kleinen Zwischenstand: Wie viel Geld habe ich in den letzten sechs Monaten ausgegeben (und wofür)? Wie hoch ist meine Sparquote, wie haben sich mein Vermögen und mein Wertpapierdepot in dieser Zeit entwickelt? Diese Fragen will ich in diesem Beitrag beantworten.
Auch abseits der Finanzen ist in der ersten Hälfte des Jahres einiges passiert: Joana hat einen Job gefunden. Wir sind umgezogen. Unsere Wahlheimat hat sich mehrheitlich für den Austritt aus der EU entschieden. Das Leben bleibt spannend.

Einnahmen

In meinen Vollzeitjob als Softwareentwickler habe ich im letzten halben Jahr insgesamt 13.517 € netto verdient, also rund 2.253 € pro Monat. Zusätzlich sind weitere 1.834 € in meine betriebliche Altersvorsorge geflossen. Nebenbei habe ich ein paar Sachen auf eBay verkauft (unter anderem zwei große Computer-Bildschirme aus meiner Studentenzeit) und noch ein bisschen was durch eine kleine Nebentätigkeit als Webadministrator eingenommen.

Nettogehalt 13.517 €
BAV-Beiträge 1.834 €
Krempel-Verkäufe (eBay) 270 €
Nebentätigkeit 50 €
Einnahmen Gesamt 15.617 € (2.296 € pro Monat)

Ausgaben

Meine Ausgaben beliefen sich in den letzten 6 Monaten auf insgesamt 4.986 €, im Schnitt also rund 831 € pro Monat. Im Vergleich zum letzten Halbjahr ist das ein leichter Anstieg. Ein Blick auf die einzelnen Ausgaben verrät: Dafür sind vor allem ungewöhnlich hohe Reiseausgaben verantwortlich. Gerade waren Joana und ich im Urlaub in Cornwall, wo wir zehn Tage mit Tandem und Zelt unterwegs waren. Die Zugtickets haben pro Person bereits 180 € gekostet, weitere 90 € hat jeder von uns noch einmal für Campingplätze berappt. Und es geht weiter: In ein paar Tagen steht die Financial Independence Week in Budapest auf dem Programm, für die ich schon Flüge (130 €) und Unterkunft (sieben Nächte im Hostel, 14 € die Nacht) besorgt habe. Für August habe ich noch eine Fahrt nach Hause gebucht (110 €), da feiert mein Opa seinen 80. Geburtstag. Das sollte es bis Weihnachten dann aber erstmal mit dem Reisen gewesen sein, so dass dieser Ausgabenposten im zweiten Halbjahr wieder deutlich sinken dürfte.
Auch im Bereich „Konsumgüter“ sind meine Ausgaben dieses Mal etwas höher gewesen, was vor allem dem neuen Laptop und dem neuen Handy zuzuschreiben ist, die ich in den letzten Monaten über eBay gekauft habe. Außerdem habe ich im Rahmen unseres Urlaubs ein bisschen Fahrrad-Zubehör angeschafft  Fahrradtaschen, Gepäckträger und Fahrradhelm.

Und so sah nun mein durchschnittlicher Monat im letzten halben Jahr aus:

Miete 239 € warm
Essen und Trinken 129 € (davon 23 € für außer Haus essen oder bestellen)
Monats-Zugticket für den Weg zur Arbeit 129 €
Reisen: Zug-, Bus- und Flugtickets 131 €
Reisen: Unterkunft 27 €
Versicherungen 82 € für meine deutsche Krankenversicherung, 16 € für Haftpflicht- und Unfallversicherung
Konsumgüter 27 €
Fahrradteile und -zubehör 16 €
Partys und Ausgehen 12 € (wir waren ein paar Mal im Pub)
Kosmetika und Haushaltsbedarf ca. 3 €
Handy ca. 3 € für meinen LTE-Prepaid-Tarif
Sonstiges 17 €
Gesamt-Ausgaben pro Monat 831 €

Sparrate und Vermögen

Ich habe 15.617 € verdient und davon 4.986 € ausgegeben. Es bleiben also 10.631 € für die hohe Kante, was eine Sparquote von rund 68 % ergibt.
Dazu kommen noch die Wertsteigerungen meiner Kapitalanlagen. Meine BAV hat in den letzten sechs Monaten um rund 220 € zugelegt, mein ETF-Depot verzeichnet im letzten Halbjahr Kursgewinne und Ausschüttungen von rund 2.000 €.

Insgesamt sollte mein Vermögen damit um 12.851 € gewachsen sein. Vergleiche ich aber mein Erspartes vom 1. Januar (33.938 €) mit meinem augenblicklichen Vermögensstand, beträgt die Steigerung lediglich 11.985 €. Wie kann das sein?
Obwohl ich meine Einnahmen und Ausgaben hier im Blog immer in Euro angebe (damit sie für euch in Deutschland besser nachvollziehbar sind), finden meine tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben hauptsächlich in Britischen Pfund statt, die ich mit dem durchschnittlichen Wechselkurs des jeweiligen Monats umrechne. Allerdings liegt ein Großteil meiner Barreserven auf meinem englischen Konto und wenn es mit dem Pfund bergab geht (wie erst kürzlich durch das Brexit-Votum geschehen), dann leidet eben auch der Euro-Wert meines Ersparten. Bekam man am 1. Januar für ein britisches Pfund noch 1,36 €, waren es vor der britischen Volksabstimmung 1,26 € und mittlerweile nur noch 1,17 €. Dadurch ist mein englisches Geld mittlerweile weniger wert als zu dem Zeitpunkt, an dem ich es verdient habe. Das erklärt die Diskrepanz zwischen Sparrate und realer Vermögenssteigerung.
Das ist Währungs- und politisches Risiko: Durch die Brexit-Abstimmung wurden innerhalb von ein paar Wochen knapp 900 € meines Vermögens glatt ausradiert. Aber so spielt eben das Leben und auf lange Sicht sind das nur kleine Schwankungen und Querelen, die für das große Ganze mehr oder weniger egal sind. Denn nichtsdestotrotz habe ich in den letzten sechs Monaten mein Vermögen um knapp 12.000 € auf 45.923 € steigern können. So darf es gerne weiter gehen.

Mein ETF-Depot

Achja, wo wir schonmal dabei sind: Wie geht es eigentlich meinem ETF-Depot?
Spannendes gibt es eigentlich nicht zu berichten. Nachdem ich Anfang Januar mein Depot mit sechs ETFs aufgebaut hatte, habe ich es einfach weiter bespart, mit einer Einzahlung Ende Januar und einer Einzahlung im Mai. Einen festen Rebalancing-Termin habe ich nicht, da ich mit dem OnVista Freebuy-Depot Anteile kostenlos kaufen kann. Deshalb kaufe ich einfach immer dann, wenn ich genügend Freebuys zusammen habe, was in etwa alle drei Monate der Fall ist.

ETF-Depot Juni 2016

 

 


Müssen wir alle bis 67 arbeiten? Wie ich die Finanzielle Unabhängigkeit entdeckte und Frugalist wurde.

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Vor einiger Zeit schrieb ich für den firmeninternen Newsletter meines englischen Arbeitgebers einen kleinen Artikel, in dem ich meinen Blog und die Idee hinter finanzieller Unabhängigkeit und dem frugalistischen Leben vorstellte. Am Ende kam dabei irgendwie eine ganz gute Zusammenfassung des Themas heraus, weshalb ich mir überlegt habe, eine deutsche Version des Artikels auch nochmal hier auf dem Blog zu veröffentlichen. Hier ist sie also.

Meine Geschichte beginnt vor etwa drei Jahren, als ich noch ein Student an der Bremer Universität war. Damals war ich überzeugt dass ich, sobald ich meinen Abschluss in der Tasche hatte und anfing zu arbeiten, für 40 Jahre (oder länger) in einem Job arbeiten gehen müsste. Ich würde die viele schöne Freizeit, die ich als Student genießen konnte, komplett aufgeben müssen, bis ich irgendwann mit Ende 60 vielleicht einmal in Rente gehen könnte. Fast jeder, den ich kannte, schien diesem Lebensmodell zu folgen, weshalb auch ich diesen Weg zunächst für die einzige Option hielt.

Meine Meinung änderte sich allerdings radikal, als ich über ein Phänomen namens Financial Independence and Retiring Early stolperte (zu Deutsch: Finanzielle Unabhängigkeit und früh in Rente gehen)  – oder kurz: FIRE. In Büchern und Blogs las ich von Menschen, die durch einen simpleren und weniger verschwenderischen Lebensstil in der Lage waren, genug Geld von ihrem gewöhnlichen Gehalt zu sparen, um mit 30 oder Anfang 40 finanziell unabhängig von ihrem Job zu sein. Sie konnten dann „in Rente“ gehen und für den Rest ihres Lebens tun und lassen was sie wollten, ohne sich jemals wieder um Geld Sorgen zu machen oder dafür arbeiten gehen zu müssen. Das hörte sich im ersten Moment ziemlich verrückt an. Hatten diese Leute nur Glück gehabt oder war das Ganze einfach nur ein schlechter Scherz?
Wie sich herausstellte, war es weder pures Glück noch irgendein geheimer Trick mit dem man finanziell unabhängig werden konnte. Tatsächlich war das Vorgehen ziemlich logisch und – was noch viel wichtiger für mich war – reproduzierbar:

Gebe weniger Geld aus als du verdienst und investiere die Differenz. Nach ein paar Jahren decken die Erträge deines Investments deine Ausgaben und dein Job-Einkommen wird optional – du bist finanziell frei.

Diese Erkenntnis stellte mein Leben vollkommen auf den Kopf und ich wurde von der Idee besessen, selbst finanziell unabhängig zu werden. Wie sich zeigte, fiel es mir leichter als gedacht, deutlich weniger auszugeben als der durchschnittliche Konsument. Ich stellte fest, dass die meisten Ausgaben eines normalen westeuropäischen Lebensstils in Wahrheit gar nicht notwendig waren um ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Obwohl uns die Fernsehwerbung ständig weismachen will, dass ein großes Haus, ein schnelles Auto und das neuste Technik-Spielzeug unser Leben verbessern würden, ist in Wahrheit das genaue Gegenteil der Fall: Diese Dinge lenken mich nur von einem wirklich zufriedenen Leben ab, stehlen mir mein mühsam erarbeitetes Einkommen und hindern mich letztendlich daran zu sparen und ein Vermögen aufzubauen.

Also hörte ich auf, Geld für Dinge auszugeben, die ich nicht brauchte und konzentrierte mich stattdessen auf die einfachen, nicht-materiellen Dinge, die mein Leben wirklich besser machten: Meine Familie und Freunde, meine Freundin, eine erfüllende Tätigkeit, Sport treiben, Zeit in der freien Natur verbringen und ständig Neues dazu lernen. Wie sich herausstellt, kostet das meiste davon fast nichts oder ist sogar komplett gratis! Aus den Blogs und Büchern der FIRE-Anhänger erfuhr ich, dass sogar die Dinge, von denen ich dachte, dass sie hohe Ausgaben erfordern würden, wie etwa Hobbys, mit Freunden ausgehen oder sogar das Gründen einer Familie, mit viel weniger Geld zu erreichen waren als angenommen – und man dabei sogar besser und glücklicher leben konnte.

Obwohl ich nun seit rund einem Jahr in meinem ersten Job arbeite, gebe ich kaum mehr Geld aus als zu meiner Studentenzeit. Ich fahre mit meinem Fahrrad zur Arbeit, wohne in einer Wohngemeinschaft und koche mein (gesundes und kostengünstiges) Essen selbst. Wenn mal etwas kaputt geht, repariere ich es selbst und lerne dabei noch nützliche neue Fertigkeiten. Ich kaufe selten irgendwelche neuen Sachen, da ich bereits alles habe was ich brauche und damit zufrieden bin.

Der Rest ist dann einfache Mathematik: Je weniger ich ausgebe, desto mehr kann ich sparen und desto weniger Erspartes brauche ich am Ende, um finanziell unabhängig zu werden. Wenn du kontinuierlich die Hälfte deines Nettoeinkommens sparst, dann kannst du nach ungefähr 17 Jahren finanziell unabhängig sein (angenommen deine Ausgaben bleiben konstant). Wenn es dir gelingt, jeden Monat zwei Drittel deines Einkommens auf die hohe Kante zu legen, verkürzt sich dein Arbeitsleben auf lächerliche neun Jahre. So spare ich zurzeit genug Geld (etwa 70% meines Gehalts), um entspannt noch vor meinem 40. Geburtstag in Rente zu gehen und das sogar mit einer Familie und Kindern.
Wohin fließt mein gespartes Geld? Ich investiere es hauptsächlich in Aktien-Indexfonds, was in etwa so ähnlich funktioniert wie meine betriebliche Altersvorsorge, nur dass ich es selbst organisiere und verwalte. Sobald ich genug gespart habe, werden alle meine Ausgaben von den langfristigen Kapitalerträgen aus Zinsen und Dividenden gedeckt und ich brauche nie wieder für Geld arbeiten zu gehen.

Der Beitrag Müssen wir alle bis 67 arbeiten? Wie ich die Finanzielle Unabhängigkeit entdeckte und Frugalist wurde. erschien zuerst auf Frugalisten.

Frugalisten feiert Geburtstag

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Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht! Ein ganzes Jahr ist es nun schon her, dass ich an einem dunklen Wintermorgen im Zug auf dem Weg zur Arbeit saß und auf meinem Handy den allerersten Artikel für diesen Blog tippte. Ein paar Tage später, am 20. Dezember 2015, war es dann so weit: Ich drückte den Veröffentlichen-Button und der Frugalisten-Blog mit den ersten fünf Artikeln erblickte das Licht der Welt.

Es gibt also etwas zu feiern: Frugalisten wird heute ein Jahr alt!

Erstmal möchte ich euch darum ein fettes Dankeschön aussprechen. Es war für mich ein unglaublich aufregendes und spannendes Jahr – und das vor allem dank euch. Ich habe viele interessante Menschen kennen gelernt (sowohl über das Internet als auch im echten Leben) und durfte viele nette E-Mails und Kommentare lesen und beantworten. Über jeden einzelnen habe ich mich wirklich gefreut.

Ich habe festgestellt, dass ich gar nicht so alleine bin, wie ich immer dachte. Zwei Drittel seines Einkommens sparen? Mit 40 in Rente gehen? In meinem Familien- oder Bekanntenkreis schien an so etwas niemand zu denken. Und überhaupt: Über Geld, übers Investieren oder die Rente wurde eigentlich nie großartig gesprochen.

FIWE 2016 Budapest MustachiansDurch den Blog habe ich erst gemerkt, dass es in Wirklichkeit jede Menge Menschen da draußen gibt, die ganz ähnlich drauf sind wie ich. Menschen, die auch keine Lust auf ein langweiliges Waschlappen-Leben haben. Die auch nicht 40 Jahre lang in einem 9-to-5-Job arbeiten wollen. Die ihr Leben selbst in die Hand nehmen, statt nur über die Politiker oder den doofen Chef zu schimpfen. Menschen, die ihr Geld lieber in ihre Freiheit investieren, statt es für Konsum aus dem Fenster zu werfen.

Als ich diesen Blog gestartet habe, wollte ich die US-amerikanische FIRE-Community, die Philosophie von Mr. Money Mustache und Early Retirement Extreme, nach Deutschland bringen.
In den USA ist Financial Independence and Retiring Early mittlerweile eine regelrechte Bewegung geworden. Die Fans von Mr. Money Mustache nennen sich selbst Mustachians, fast wie ein religiöser Orden. Regelmäßig kommen hunderte Menschen zu den zahlreichen Lesertreffen in allen Ecken des Landes.

Ich habe mich gefragt: Könnte es das nicht auch in Deutschland geben?
Du hast keine Lust auf den üblichen Standard-Lebensentwurf Reihenhaus, Ratenkredit und Rente mit 67? Du willst lieber ein spannenderes Leben führen und nebenbei auch noch reich werden? Dann komm zu den Frugalisten! Hier bist du cool, wenn du mit dem Fahrrad fährst und in einer kleinen Wohnung wohnst. Wenn du in Aktien investierst und dein eigenes Gemüse anbaust.

Seit ich hier im Blog offen über meine Finanzen berichte, sprechen mich interessanterweise auch Leute aus meinem Familien- und Freundeskreis auf dieses Thema an. Dadurch entstanden in letzter Zeit immer wieder spannende, persönliche Gespräche. Die Menschen erzählen mir von ihrer eigenen finanziellen Situation und wir unterhalten uns über Geldanlage, Versicherungen oder wofür wir so unser Geld ausgeben. Und auch wenn viele ganz andere Ziele und Vorstellungen haben als ich: Auf Missgunst oder Unverständnis bin ich bisher eigentlich kaum gestoßen. Vielleicht muss erst einer das Tabu brechen („Über Geld spricht man nicht…“), damit auch andere hinter dem Ofen hervorgelockt werden.

Ursprünglich hatte ich für den Blog geplant, etwa drei bis vier neue Artikel pro Monat zu veröffentlichen. In den ersten Wochen gingen allerdings gefühlt sämtliche Wochenenden für das Bloggen drauf und ich musste einsehen, dass diese Frequenz für mich unmöglich durchzuhalten war. Wie es andere Blogger schaffen, neben Vollzeitjob, Partner und Hobbies noch zwei oder drei Artikel pro Woche zu schreiben, ist mir bis heute ein Rätsel. Wie macht ihr das? 😀  Mittlerweile versuche ich, im Schnitt etwa alle 14 Tage einen neuen Artikel zu veröffentlichen und das klappt eigentlich ganz gut.

Ich habe ein Geburtstagsgeschenk für euch

Meine persönliche Anforderung war von Anfang an, ausschließlich auf Deutsch zu schreiben und nach Möglichkeit auch nur deutsche Quellen zu verlinken. Klar, die meisten und besten Quellen zum Thema FIRE stammen aus dem US-amerikanischen Sprachraum. Aber nicht jeder in Deutschland versteht fließend Englisch oder liest gerne englische Texte oder Bücher. Darum versuche ich, möglichst nicht ohne zusätzliche Erklärung oder Übersetzung auf englische Seiten zu verweisen.

Das hat bisher eigentlich auch ganz gut funktioniert – bis auf eine Ausnahme. In meinem zweiten Artikel So funktioniert finanzielle Unabhängigkeit verlinke ich nämlich auf den Renten-Rechner von networthify.com. Dort gibt man seine Einnahmen und Ausgaben ein und sieht auf einen Blick, wie lange man noch bis zur (frühen) Rente arbeiten gehen muss. Knapp 450 Besucher sind im letzten Jahr diesem Link gefolgt.

Leider ist networthify.com eine amerikanische Seite und der ansonsten sehr gute Rechner dementsprechend nur auf Englisch.
Und es gibt noch einen weiteren Wermutstropfen. Mittlerweile besucht nämlich rund die Hälfte der Leser den Frugalisten-Blog über ein mobiles Gerät. Rund 35 % der Seitenzugriffe kommen von einem Smartphone, weitere 15 % der Nutzer steuern den Blog per Tablet an. Networthify ist für diese Geräte leider nicht ausgelegt. Auf dem Handy muss man umständlich in die Seite hineinzoomen, die Eingabefelder sind auf dem kleinen Touch-Display schwierig zu bedienen.

Es musste also eine geeignetere Lösung her. Darum habe ich in den letzten Monaten meine Webentwickler-Skills ausgepackt und eine neue Version des Rechners gebastelt – optimiert für Smartphones und Tablets – und natürlich auf Deutsch.

Ihr findet meinen Rechner unter folgendem Link:

http://frugalisten.de/rechner

Renten-Rechner - Wann kann ich in Rente gehen

Ich würde mich freuen, wenn ihr den Rechner mal ausprobiert, ihn teilt und euren Freunden zeigt. Und natürlich möchte ich von euch wissen: Wann könnt ihr in Rente gehen?

Über Feedback und Verbesserungsvorschläge (und wenn etwas nicht funktionieren sollte) freue ich mich jederzeit. Hinterlasst einfach einen Kommentar. 🙂

In meinem älteren Artikel ist nun auch der neue Rechner direkt im Artikel eingebettet und bedienbar.

So, nun aber zu den Zahlen, Herr Frugalist!

Es scheint ja irgendwie eine Art Tradition geworden zu sein, zum ersten Blog-Geburtstag (oder auch einfach nur zum Ende des Jahres) ein paar Statistiken offen zu legen. Robert und Emma haben es neulich getan, und auch Jenny hat es getan. Also will auch ich mich nicht davor drücken. Los geht’s 😉

Insgesamt kamen in den letzten 12 Monaten 48.850 Besucher auf den Frugalisten-Blog (mit insgesamt 123.620 Seitenaufrufen). Auch Kommentare wurden fleißig geschrieben, nämlich ganze 716 Stück. Davon stammen 442 von euch Lesern und 274 von mir selbst.

Frugalisten Besucher Statistik Dezember 2016

Ganz besonders danken möchte ich natürlich allen meinen Stamm-Kommentatoren! Die fleißigsten von euch waren:

  • Jenny (Ex-Studentin) mit 34 Kommentaren
  • Dummerchen (wo steckt er eigentlich?), mit 31 Kommentaren
  • PIBE350 mit 29 Kommentare
  • Fit und Gesund mit 19 Kommentaren
  • und lubo unterwegs mit 18 Kommentaren.

Neben den treuen Kommentierern freue ich mich auch über alle lieben Stammleser und Abonnenten. Am heutigen Tag zählt Frugalisten 122 Abonnenten und 167 Facebook-Fans.

Das ist zwar schon ganz beachtlich, aber ich denke da geht noch was! 😉 Wenn euch der Blog gefällt, dann lasst euch doch direkt per E-Mail über neue Beiträge informieren. Rechts in der Sidebar findet ihr dafür die Box Frugalisten per E-Mail abonnieren.
Und wenn ihr einen Facebook-Account habt, dann schaut doch mal auf der Frugalisten-Facebook-Seite vorbei und gebt einen „Daumen hoch“.

Achja, das waren übrigens die meistgelesenen Artikel im letzten Jahr:

  1. Die 4 %-Regel: Wieviel Geld brauchst du, um nie wieder arbeiten gehen zu müssen?
    (mit 8.902 Aufrufen.)
    Auf diesen Artikel kommen täglich Dutzende Besucher über die Google-Suche „Nie wieder arbeiten müssen“. Da soll noch mal einer sagen, es gäbe keinen Bedarf für finanzielle Unabhängigkeit. 😉
  2. Die Dividenden-Strategie: Der große Selbstbetrug
    (mit 5.968 Aufrufen)
  3. Hosen runter: Hier kommt mein Investment-Portfolio
    (mit 5.473 Aufrufen)
  4. So gehe ich mit 40 in Rente – mein Masterplan für finanzielle Unabhängigkeit
    (mit 5.151 Aufrufen)
  5. Frugalist oder Waschlappen? Bist du bereit für finanzielle Freiheit?
    (mit 4.241 Aufrufen)

Und zu guter Letzt noch die wichtigste Statistik:
Als Webseitenbetreiber kann ich über die Google Search Console einsehen, über welche Google-Suchbegriffe Leute auf meine Seite gelangt sind. Auf der FIWE in Budapest haben wir uns über die lustigsten Suchbegriffe unterhalten, mit denen Leute unsere Seiten gefunden haben. Robert White hat diesen in seinem Jahresrückblick schließlich eine eigene Kategorie gewidmet. Sein Gewinner „Everything is bullshit“ ist natürlich schwer zu toppen. Trotzdem kommt hier auch meine Top 3. Mit diesen verrückten Suchbegriffen kamen Leute auf den Frugalisten-Blog:

3. Platz: 

„ich bin erst 30 und will nicht mehr arbeiten“

2. Platz 

wo kann ich mit 3000 euro im monat leben wie im paradies“

Uuund hier kommt Platz 1 *trommelwirbel*:

meine oma hatte damals im kriegszeit geld auf der bank, kann man das irgendwie bekommen“

Alles durchaus gerechtfertigte Anliegen, wie ich finde. Solche Fragen bewegen heutzutage eben die Menschheit.

Wie geht es 2017 weiter?

Auch im nächsten Jahr möchte ich im Schnitt etwa alle 14 Tage einen neuer Artikel veröffentlichen. Meine „Ideensammlung“ umfasst mittlerweile ganze sieben DIN A4-Seiten, Tendenz steigend. Es dauert also definitiv noch ein Weilchen, bis mir die Ideen für neue Beiträge ausgehen.

Ansonsten will ich demnächst das äußere Erscheinungsbild des Blogs ein bisschen aufpolieren. Auf der Agenda stehen eine Überarbeitung des Designs, eine neue Startseite und ein paar zusätzliche Funktionen. Unter anderem will ich eine Seite mit interessanten Blogs, Büchern und Videos einrichten und eine Übersicht über alle bisherigen Beiträge anlegen. Habt ihr sonst noch Wünsche oder vermisst ihr etwas? Lasst es mich wissen!

Sofern im kommenden Jahr die Zahl der Besucher weiter wächst, möchte ich langsam auch mal darüber nachdenken, wie ich vielleicht ein paar Einnahmen mit dem Blog generieren kann. Schön wäre es, wenn zumindest die laufenden Kosten für den Server und die Domain etwa durch Affiliate-Einnahmen gedeckt werden könnten.

Aber keine Angst, blinkende Popup-Banner wird es bei mir definitiv nicht geben. Und auch kein Kaufe jetzt mein E-Book oder Abonniere mich und erhalte irgendetwas GRATIS . Ich schreibe ja schließlich keinen konsumkritischen Blog, um diesen dann in eine quietschbunte Litfaßsäule zu verwandeln. Alles soll dezent und im Rahmen bleiben. Nervig finde ich auch, wenn Blogs komplett mit Affiliate-Links zugepflastert werden. Ach, übrigens, hier habe ich mein Girokonto. Und habe ich schon erwähnt, dass ich hier mein Depot habe? Und hier ist noch ein Link zu Amazon, warum weiß ich auch nicht mehr genau.
Spaß beiseite, so etwas wird es hier definitiv nicht geben.

Ganz sicher werde ich 2017 wieder auf der FIWE mit dabei sein. Noch ist zwar gar nicht klar, wann und wo diese stattfinden wird, aber ich melde mich hiermit trotzdem schon einmal an!

Ob ich darüber hinaus auch auf anderen Blogger- oder Lesertreffen zu Gast sei werde, kann ich leider erstmal nicht versprechen. Ich würde mich riesig freuen, mal ein paar mehr von euch endlich persönlich kennen zu lernen. Aber von England aus gestaltet sich die Teilnahme an Treffen in Deutschland immer etwa schwierig. Also heißt es erstmal abwarten und Tee trinken. Oder besser Glühwein.

Damit wünsche ich euch jetzt erstmal ein wundervolles und besinnliches Weihnachtsfest im Kreis eurer Liebsten und eine ordentliche Sause ins neue Jahr. Lasst es krachen und entspannt euch auch ein bisschen. Ungewollte Geschenke könnt ihr auch Anfang Januar noch bei eBay einstellen. 😉
Auch ich werde jetzt meine knapp 3 Wochen Urlaub genießen und melde mich dann im neuen Jahr mit dem traditionellen Halbjahresbericht zurück.

Frohe Weihnachten, einen guten Rutsch, und bis dann!

Der Beitrag Frugalisten feiert Geburtstag erschien zuerst auf Frugalisten.

Winterbericht 2016: Ein Jahr Berserker-Sparen

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Tadaaa, 2017 ist da! Ich hoffe ihr seid alle gut reingerutscht seid und habt anständig mit euren Freunden und eurer Familie gefeiert.
Mit Anbruch des neuen Jahres ist gleichzeitig auch das zweite Halbjahr 2016 Geschichte und somit ist es wieder Zeit für den traditionellen finanziellen Lagebericht.
Anders als im letzten Sommerbericht soll es heute aber nicht nur um die vergangenen sechs Monate gehen. Stattdessen möchte ich einen Rückblick auf das gesamte Jahr 2016 werfen. Für eine Finanz-Statistik finde ich so ein komplettes Jahr einfach interessanter als nur die zweite Jahreshälfte. Also los geht’s:
Wie viel habe ich im Jahr 2016 verdient? Wie viel habe ich ausgegeben (und wofür)?
Wie viel habe ich gespart? Wie haben sich mein Wertpapier-Depot und mein Vermögen entwickelt?

2016 war mein allererstes Jahr, in dem ich vollständig von Januar bis Dezember in einem normalen Vollzeitjob gearbeitet habe. Außerdem hatte ich schon Ende 2015 hier in England ein Gewerbe (Web- und Softwareentwicklung) angemeldet, mit dem ich nebenbei und am Wochenende als Freelancer tätig war.

Das Jahr stand damit unter einem klaren Motto: Geld verdienen!
Um möglichst viel Geld zu sparen und finanziell unabhängig zu werden, brauche ich nämlich zwei Stellschrauben: Möglichst geringe Ausgaben auf der einen und möglichst hohe Einnahmen auf der anderen Seite.
Mit meinen Ausgaben war ich soweit schon recht zufrieden. Trotz gut bezahltem Job lebte ich einfach so weiter wie schon als Student. Ich wohnte in WGs und fuhr mit meinem alten Fahrrad zur Arbeit, statt mir ein Auto zu kaufen. Ich kochte mein Essen selbst und ging nur ab und an mal ins Restaurant. Auf  Elektronik-Spielzeug oder Designermöbel konnte ich sowieso schon immer gut verzichten. Meine Ausgaben bewegten sich also bereits auf niedrigem Niveau.

Im letzten Jahr wollte ich mich darum etwas mehr mit der Einnahmenseite beschäftigen. Das hieß im Klartext: In einem möglichst gut bezahlten Job arbeiten, ordentlich Berufserfahrung sammeln (um in den kommenden Jahren noch mehr verdienen zu können) und zugleich ein Nebengewerbe aufbauen.

Sparen wie ein Berserker

So sieht meine Strategie aus: Ich maximiere mein Einkommen und pflege gleichzeitig einen studentischen Lebensstil mit geringen Ausgaben. Warum? Ganz einfach: Weil das der allerbeste Weg ist, um als junger Mensch innerhalb von nur wenigen Jahren ein fettes Vermögen aufzubauen. Diese Taktik ist auch als Berserker-Sparen bekannt. Laut brüllend und ohne Rücksicht auf Verluste stürze ich mich in die Schlacht. Sparquote? Alles unter fünfzig Prozent ist Pippifax! Alle unnötigen Ausgaben werden in Stücke gerissen. Die Lifestyle-Inflation wird in Grund und Boden gestampft. Jeder Euro, der nicht zwingend benötigt wird, wandert auf die hohe Kante.

Schon der Finanzwesir hat festgestellt: Vermögen werden in den 20ern gemacht. Ich bin jetzt 28, jung, gesund und noch einigermaßen motiviert. Noch habe ich keine Familie zu versorgen. Ich bin an einen günstigen Lebensstil gewöhnt. Ich kann beruflich richtig Gas geben und habe gleichzeitig kaum Ausgaben oder finanzielle Verpflichtungen. Die perfekte Zeit also, um schubkarrenweise Geld auf mein Sparkonto zu schaufeln.

Viele Leute in meinem Alter nutzen ihr Einkommen, um sich einen möglichst komfortablen und luxuriösen Lebensstil zu leisten. Eine große Wohnung, ein neues Auto, schöne Möbel, regelmäßige Shopping-Touren und Restaurantbesuche. All die Dinge eben, die man sich vom Bafög oder Azubi-Gehalt noch nicht leisten konnte. Höchstens ein paar Euro im Monat werden für die Altersvorsorge zur Seite gelegt.
Ich mache es umgekehrt: Ich nutze einen kleinen Teil meines Gehalts, um mir ein angenehmes und zufriedenes Leben zu ermöglichen. Den überwiegenden Teil meines Einkommens spare ich und pumpe es in mein Wertpapier-Depot, als gäbe es kein Morgen.

Auf diese Weise werde ich ein sechsstelliges Vermögen angespart haben, noch bevor das erste Kind das Licht der Welt erblickt oder mich im Job die Midlife-Crisis packt. Ich bin mir sicher: Mit einem soliden Vermögen im Rücken wird das Leben deutlich entspannter. Ich könnte dann jederzeit auf einen Halbtagsjob wechseln oder mich selbstständig machen, ohne Existenzängste zu bekommen. Ich könnte zwei oder drei Sabbatjahre einlegen oder auch einfach weiter arbeiten und dann mit 40 in Rente gehen.
Wenn man früh anfängt zu sparen, kann der Zinseszins viel länger seine Wirkung entfalten. Bei einer Nettorendite von 5 % verdoppelt sich mein Erspartes alle 15 Jahre. 25.000 €, die ich heute anlege, vermehren sich in 30 Jahren zu 100.000 €  –  dann bin ich gerade einmal 58. Und das alles, weil ich in mit Ende 20 ein paar Jahre lang mit der Berserker-Axt gespart habe.

Ende 2015 hatte ich mir drei Vermögensziele definiert. Das sollten einfach ein paar grobe Richtwerte dafür sein, wie viel Geld ich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gerne ansparen wollte. Dabei habe ich ein kurzfristiges, ein mittelfristiges und ein langfristiges Ziel festgelegt:

  • kurzfristig: ein Vermögen von 50.000 € bis Ende 2016
  • mittelfristig: ein Vermögen von 100.000 € bis zu meinem 30. Geburtstag (November 2018)
  • langfristig: Finanzielle Unabhängigkeit bei 350.000 bis 500.000 € bis zu meinem 40. Geburtstag (November 2028)

2016 ist nun zu Ende und damit ist der Termin für das erste, kurzfristige Ziel gekommen. Habe ich mein Ziel erreicht? Hier zunächst einmal die wichtigsten Zahlen im Überblick.

Überblick

Meine Netto-Einnahmen 2016: 33.418 €
Meine Ausgaben 2016: 10.034 €
In diesem Jahr gespart: 23.384 €
Gesamt-Sparquote 2016:1 70,1 %
Altes Vermögen (1. Januar 2016): 33.938 €
Neues Vermögen (1. Januar 2017): 61.674 €

Damit habe ich mein Vermögensziel für 2016 um fast 12.000 € übertroffen. Zugegeben, mein Wertpapier-Portfolio hat dazu einen nicht ganz unerheblichen Beitrag geleistet: 2016 hat mein ETF-Depot Kursgewinne von über 5.000 € erzielt. Dazu aber gleich mehr.
Erstmal werfen wir einen Blick auf die detaillierten Einnahmen und Ausgaben des vergangenen Jahres.

Einnahmen

Netto-Gehalt aus meinem Job als Softwareentwickler 25.231 €
Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge 3.519 €
Netto-Einnahmen aus meinem Nebengewerbe 3.950 €
eBay-Verkäufe 268 €
Geldgeschenke und Sonstiges 450 €
Einnahmen gesamt 33.418

Ausgaben

Kategorie im Jahr Ø im Monat
Warmmiete 3.355 € 280 €
Lebensmittel-Einkäufe 1.156 € 96 €
Außer Haus essen 338 € 28 €
Zugticket zur Arbeit / Spritgeld für Joana2 1.473 € 123 €
deutsche student. Krankenversicherung 1.005 € 84 €
Haftpflicht- und Unfall-Versicherung 203 € 17 €
Semestergebühren
(für mein pausiertes Masterstudium)
320 € 27 €
Prepaid-Handyvertrag 55 € 4,60 €
Reisen: Transport
(Zug-, Bus,- Flugtickets, Spritkosten)
683 € 57 €
Reisen: Unterkunft 348 € 29 €
Parties, Pub & Disko 264 € 22 €
Gesundheit
(eine neue Brille)
320 € 27 €
Kleidung 0 € 0 €
Haushaltsgegenstände,
Werkzeug, Elektronik
172 € 14 €
Fahrrad-Ersatzteile und Zubehör 130 € 11 €
Sonstiges 96 € 8 €
Gesamt-Ausgaben 10.034 € 836 €

Mit Einnahmen von 33.418 € und Ausgaben von 10.034 € komme ich damit auf eine Sparquote von soliden 70,1 %1.

Depot und Vermögen

Wie hat sich mein ETF-Portfolio im Jahr 2016 entwickelt? Und wie sieht meine aktuelle Vermögensaufteilung aus?

Als eiserner Passiv-Anleger habe ich natürlich weiterhin ganz langweilig mein gutes altes ETF-Portfolio bespart. Auf irgendwelche Börsenkurse, Kennzahlen oder heiße Investment-Tipps achte ich nicht im Geringsten. Ich lese auch keine Nachrichten. Das ist für mich alles verschwendete Zeit, die ich lieber dazu nutze, meinen Hobbies nachzugehen.
Meine Anlagestrategie habe ich einmalig festgelegt und bei dieser bleibe ich jetzt. Ein paar Mal im Jahr lege ich einfach nur frisches Geld nach.

Meine aktuelle Vermögensaufteilung setzt sich wie folgt zusammen:

Anlage Summe Anteil am Gesamtvermögen
ETF-Portfolio 45.810 € 74,28 %
Betriebliche Altersvorsorge (100 % Aktien)
(kann erst mit 55 ausgezahlt werden)
4.539 € 7,36 %
Cash 11.325 € 18,36 %
Gesamt 61.674 € 100 %

Entwicklung ETF-Depot

2016 war ein gutes Börsenjahr und es gab saftige Renditen in allen Anlageklassen. Mein ETF-Portfolio hat in dieser Zeit gute 15 % Rendite eingefahren. In absoluten Zahlen entspricht das einem Gewinn von rund 5.000 €.

ETF-Portfolio Rendite 2016

Hier die Wertentwicklung der einzelnen ETFs in meinem Portfolio:

ETF Typ, Anteil Jahresrendite 2016
Lyxor MSCI All Country World Aktien
32,4 %
10,89%
Comstage MSCI Emerging Markets Aktien
15,6 %
15,25 %
Comstage MSCI EMU Aktien
12 %
4,11 %
Comstage iBOXX EUR Liq. Sov. Div 7-10 Anleihen
15 %
4,16 %
SPDR Dow Jones Global Real Estate REITS
15 %
6,37 %
UBS CMCI Composite Rohstoff-Futures
10 %
19,19 %

Als rationaler und langfristig denkender Investor weiß ich natürlich: Dieses positive Ergebnis ist fast nur zufällig. Nächstes Jahr können alle meine ETFs genauso gut 50 % ins Tal rauschen. Erst über einen langen Zeitraum hinweg, nach einigen Jahrzehnten, wird mein Portfolio mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine ordentliche positive Durchschnittsrendite aufweisen. Also heißt es Abwarten, Tee trinken und einfach weiter berserkermäßig sparen und investieren.

Mein neues Ziel für 2017

Nachdem ich mein erstes Sparziel (50.000 € bis Ende 2016) erreicht und sogar deutlich übertroffen habe, muss jetzt ein neues Ziel her.
Bis Ende 2017 peile ich darum ein Vermögen von 80.000 € an. Damit sollten dann auch die 100.000 € bis zu meinem 30. Geburtstag schaffbar sein. Natürlich ist auch dieses Ziel wieder nur ein grober Orientierungspunkt, mehr eine Motivationshilfe als als ein konkretes Vorhaben. Es soll ja schließlich nicht in Stress ausarten. Ein entspanntes Leben hat immer Vorrang und wenn etwas dazwischen kommt, dann ist das eben so. Vor allem können natürlich schwankende Wertpapier-Kurse das Ziel beeinflussen. Gibt es zwischendurch einen Börsencrash, dann dauert es halt ein bisschen länger.

Ansonsten wird auch 2017 sicher wieder spannend. Im Mai kommt Joana von ihrem Karibik-Abenteuer zurück. Wohin es uns danach verschlägt, steht noch vollkommen in den Sternen. Im nächsten Halbjahresbericht wissen wir wahrscheinlich schon mehr. Bis dahin bleibt am Ball, schleift eure Berserker-Axt und spart was das Zeug hält! 🙂 RAAWR!

P.S.: Noch eine Anmerkung zum heutigen Beitragsfoto. Nachdem Joana mit ihrer Spiegelreflexkamera in die Karibik abgedampft ist und mir zu allem Überfluss auch noch meine Digitalkamera gestohlen wurde, kann ich zur Zeit nur noch Fotos mit dem Handy machen. Wenigstens gibt es da diese coolen Apps, mit denen man seine Bilder pimpen kann. 😉

1 Wer wirklich einmal mit dem Taschenrechner nachrechnet, der stellt fest: Meine Einnahmen (33.418 €) und meine Ausgaben (10.034 €) ergeben eigentlich nur eine Sparquote von 69,97 %. Hat Oliver hier etwa betrogen, um die magischen 70 % zu knacken? 
Nein, keineswegs. Die Abweichung ist lediglich der Währungsumrechnung geschuldet. Der überwiegende Teil meiner Einnahmen und Ausgaben findet nämlich nicht in Euro, sondern in britischen Pfund (£) statt. 2016 habe ich davon 27.567 £ eingenommen und 8.224 £ ausgegeben, was besagte Sparquote von 70,1 % ergibt. Mein Excel-Spreadsheet übernimmt für mich automatisch die Umrechnung in Euro, allerdings monatlich mit dem jeweiligen durchschnittlichen Wechselkurs. Dieser schwankte in diesem Jahr mitunter gewaltig, unter anderem durch das Brexit-Votum. Da auch meine Ausgaben und Einnahmen schwanken, allerdings nicht im Gleichklang mit dem Wechselkurs, entsteht bei der monatsbasierten Umrechnung die Abweichung in der Sparquote. 

Nach unserem Umzug im September konnte ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, während Joana täglich über 60 Kilometer mit dem Auto zurück legen musste. Um diese Situation etwas gerechter zu machen, habe ich die Hälfte ihrer Spritkosten übernommen. Unsere nächsten Arbeitsplätze wählen wir auf jeden Fall so, dass sie beide mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreichbar sind. 😉

 

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Die 300 €-Regel: Bezahlst du einen unendlichen Kredit?

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Heute starten wir einmal mit einem Gedankenexperiment. Stell dir vor, dein Smartphone ist kaputt gegangen und du gehst darum in den nächstgelegenen MegaMarkt, um dir ein neues Gerät zuzulegen. Weil dein altes Handy sowieso schon etwas überholt war, möchtest du auch gleich auf ein etwas moderneres Exemplar aufrüsten.

Nachdem du eine Weile die angebotenen Geräte verglichen hast, hat es dir schließlich ein Modell besonders angetan: Das nagelneue FancyPhone. Das hat ein schönes großes Display und extra viel Speicherplatz. Und schick aussehen tut es außerdem auch noch.
Also gut, dann soll es eben das FancyPhone werden – auch wenn es mit einem Preis von 300 € ein bisschen mehr kostet, als du eigentlich ausgeben wolltest.
Als du zur Sicherheit nochmal einen Blick auf das Preisschild wirfst, wirst du jedoch stutzig. Scheinbar hat sich der MegaMarkt ein etwas ungewöhnliches Angebot einfallen lassen:

FancyPhone 300 €-Regel

Du bist verwirrt. So eine komische Art der Ratenzahlung hast du noch nie gesehen. Ein Euro im Monat hört sich ja erstmal nicht viel an. Aber für immer und ewig, bis an dein Lebensende?

Eigentlich wolltest du das Handy doch nur für zwei oder drei Jahre benutzen. Bei diesem Angebot müsstest du selbst mit 80 oder 90 Jahren immer noch jeden Monat einen Euro bezahlen – für ein Handy, das du vor Jahrzehnten mal für kurze Zeit in Gebrauch hattest. Auch dann noch, wenn das ehemals schicke FancyPhone längst ein Museumsstück ist oder auf dem Schrott liegt.

Und was passiert, wenn du dir ein Jahr später das FancyPhone 2 kaufst? Und noch einmal ein Jahr später das FancyPhone 3? Auf diese Weise wird die monatliche Rate für deine Handys ja immer größer und größer.

Und wenn du so ein Angebot nicht nur für Smartphones nutzen würdest, sondern auch für Autos und Fernseher? Dann würden es schnell zwei, drei, zehn, hunderte Euro werden, die du zukünftig jeden Monat bezahlen müsstest – für immer und ewig, bis an dein Lebensende.
Vor deinem geistigen Auge siehst du dich schon mit 80 in einer Seniorenresidenz sitzen – inmitten eines gewaltigen Berges von Rechnungen, die pünktlich jeden Monat hereinflattern. Die ewigen monatlichen Raten für die vielen Dinge, die du irgendwann im Laufe deines Lebens einmal gekauft hast.

Du kommst zu der Überzeugung: Dieses merkwürdige Angebot muss Betrug sein. Wahrscheinlich wieder so eine Bauernfängerei, um die finanziell ungebildete Kundschaft zum Kauf zu verführen. Du beschließt, für dein FancyPhone lieber einmalig die 300 € hinzublättern und begibst dich auf den Weg zur Kasse.

Was du nicht ahnst: Die beiden Angebote sind in Wahrheit völlig gleichwertig.

Denn jedes Mal wenn du einmalig 300 € für irgendetwas ausgibst, ist das im Prinzip genau das gleiche, als wenn du zukünftig jeden Monat einen Euro bezahlen musst – und zwar für immer und ewig, bis an dein Lebensende.

Wie kann das sein?

Erinnerst du dich noch an die 4 %-Regel? Die besagt: Aus einem in Wertpapiere angelegten Geldvermögen kannst du jedes Jahr vier Prozent des anfänglichen Vermögens entnehmen, ohne dass du in absehbarer Zeit pleite gehst.

Steckst du also 300 € in ein gemischtes Portfolio aus Aktien und Anleihen, dann kannst du dir daraus jedes Jahr 12 € auszahlen lassen, ohne dass das Geld jemals aufgebraucht wird (12 € – das sind vier Prozent von 300 €). Auf den Monat umgerechnet entspricht das einer Auszahlung von genau einen Euro im Monat – und zwar für immer und ewig, bis an dein Lebensende. 

Legst du diese 300 € jetzt aber nicht an, sondern kaufst dir dafür ein neues FancyPhone, dann musst du auf diese Auszahlung zukünftig verzichten. Das FancyPhone kostet dich damit jeden Monat diesen einen Euro, der dir nun an passivem Einkommen fehlt.

Immer wenn du etwas kaufst, nimmst du quasi einen „ewigen Kredit“ auf. Einen Kredit, den du niemals abbezahlen kannst. Jede 300 Euro, die du ausgibst, entsprechen einem ewigen Euro, den du fortan monatlich weniger zur Verfügung hast.

  • Schuhe für 150 €? Macht jeden Monat 50 Cent – für den Rest deines Lebens.
  • Das 600 € teure iPad oder der Flachbildfernseher? Genauso gut könntest du einen Dauerauftrag einrichten, der immer zum Monatsersten 2 € von deinem Konto abbucht. Nur löschen kannst du den leider nicht.
  • Die Sofagarnitur für 3.000 €? In Wirklichkeit ein unkündbarer Vertrag über eine monatliche Rate von 10 €.
  • Der Neuwagen, für den du einmal 30.000 Euro bezahlt hast? Der kostet dich auch dann noch jeden Monat 100 €, wenn das Auto längst verschrottet ist.

All diese vielen kleinen Anschaffungen summieren sich im Laufe der Zeit zu einer gewaltigen Monster-Rate. Geld, das dir im deinem weiteren Leben nun jeden Monat fehlt.

Lass die 300 €-Regel lieber für dich arbeiten

Auweia, bei all diesen „unkündbaren Kreditraten“ kann einem ja ganz schwindlig werden. Was kann man bloß dagegen tun? Soll man jetzt überhaupt nichts mehr kaufen?

Naja, das macht ja auch keinen Spaß. Aber zumindest kann ich mir überlegen: Habe ich Bock, in 20 oder 30 Jahren immer noch für die Schuhe, die Couchgarnitur und das iPad zu bezahlen, die mir heute so gut gefallen, die aber in ein paar Jahren schon längst veraltet sind oder auf dem Müll liegen? Oder würde mein zukünftiges Ich vielleicht Besseres mit dem Geld anzufangen wissen? In den meisten Fällen denke ich mir mittlerweile: Nö, das lohnt sich mal gar nicht – und verzichte dankend auf den Kauf.

Einige Dinge sind es mir natürlich auch wert, dafür Geld auszugeben: Mein Skateboard, ein ordentliches Fahrrad oder ab und zu ein dekadentes Luxus-Wochenende.
Auch würde ich nur ungerne auf einen vernünftigen Laptop verzichten wollen. Aber hier frage ich mich dann: Wie kann ich die gewünschte Leistung für möglichst wenig Geld bekommen? Brauche ich eine teure Designer-Einrichtung oder tun es auch schöne IKEA-Möbel von eBay Kleinanzeigen?
Muss es ein nagelneues MacBook für 1.800 € sein, oder reicht ein solides Gebraucht-Notebook für 300 €? Alleine diese Ersparnis von 1.500 € rettet mich vor einem Unendlich-Kredit von 5 € im Monat.

Auf diese Art und Weise lässt du die 300 €-Regel nicht gegen dich, sondern für dich arbeiten. Umgekehrt funktioniert sie nämlich so:

Für jede 300 €, die du sparst und anlegst, kriegst du künftig jeden Monat einen Euro geschenkt – für immer und ewig, bis an dein Lebensende.

Jedes Mal wenn ich also irgendwo 300 Euro verdiene oder einspare, macht es in meinen Gedanken Ka-Ching! – und mein zukünftiges passives Einkommen ist wieder um einen Euro angewachsen.

  • Statt dem 300 € teuren FancyPhone kaufst du ein gebrauchtes FrugalPhone für 50 € und investierst die Differenz. Ka-Ching! Für den Rest deines Lebens trudeln jetzt Monat für Monat 83 Cent gratis auf deinem Konto ein.
  • Du verkaufst deinen Krempel bei eBay und erlöst 600 €. Ka-Ching! Ein unlöschbarer Dauerauftrag über 2 € ist eingerichtet – diesmal allerdings zu deinen Gunsten.
  • Du bekommst 3.000 € Sonderzahlung in deinem Job? Statt einer neuen Couch-Garnitur geht’s ab damit ins Aktien-Depot. Ka-Ching! Wieder 10 € mehr Gratis-Einkommen im Monat.

Ich selbst habe zurzeit jeden Monat rund 1.500 € übrig, die ich sparen und investieren kann. Jeden Monat, den ich arbeite, wächst mein lebenslanges Gratis-Einkommen damit um 5 €. Nach nur einem Jahr Arbeit bekomme ich schon 60 € im Monat.  Nach nicht einmal zwei Jahren deckt das Gratis-Einkommen bereits meine monatlichen Lebensmittel-Ausgaben.

Wie sieht es bei dir aus? Bezahlst du lieber einen niemals endenden Kredit? Oder möchtest du lieber jeden Monat gratis Geld bekommen, ohne dafür arbeiten zu müssen? Die Entscheidung liegt bei dir. Kaufen oder nicht kaufen, das ist die Frage.

Der Beitrag Die 300 €-Regel: Bezahlst du einen unendlichen Kredit? erschien zuerst auf Frugalisten.

Finanzielle Freiheit – Ein Buch über Leute, die es geschafft haben (oder auf dem Weg sind)

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Es lässt sich schwer abstreiten, dass die deutsche Financial-Independence-Community in den letzten Jahren ordentlich gewachsen ist. Genug sparen, um nie wieder für Geld arbeiten zu müssen – vor einiger Zeit wäre das noch die abenteuerliche Idee eines einsamen Verrückten gewesen.
Mittlerweile ist aber klar: Finanziell frei zu werden, mit 40 in Rente gehen, das ist kein Luftschloss. Es ist möglich, und das nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland mit einem normalen Einkommen.

Das Thema scheint den Nerv der heutigen Zeit zu treffen. Möchte ich wirklich jahrzehntelang jeden Tag für die Träume eines anderen arbeiten gehen? Oder möchte ich lieber frei und selbstbestimmt entscheiden, womit ich meine Zeit verbringe?

Wir haben den Luxus, uns diese Frage stellen zu können. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Zu keinem Zeitpunkt hat es in der Menschheitsgeschichte so viel materiellen Wohlstand gegeben wie heute. Schon mit sehr wenig Geld kann sich jeder von uns einen luxuriösen und komfortablen Lebensstandard leisten. Geräumige, beheizte Wohnungen, elektrischen Strom, fließend Wasser, Internetzugang, das ganze Jahr über gesunde Lebensmittel, warme Kleidung, ärztliche Versorgung, Schulbildung. Das alles kann man schon von einem kleinen Einkommen bezahlen.

Alles, was sonst noch für ein zufriedenes Leben notwendig ist, kann man nicht für Geld kaufen. Und so stellen sich immer mehr Menschen berechtigterweise die Frage: Möchte ich noch mehr materiellen Wohlstand anhäufen? Oder habe ich davon eigentlich schon genug, und verbessere lieber meine sozialen Beziehungen, meine persönlichen Fähigkeiten, meinen Zeitwohlstand?

So nimmt die FIRE-Bewegung auch in Deutschland und Europa Fahrt auf. Die Zahl der Blogger, die mit dem Ziel der Finanziellen Freiheit an den Start gehen, wächst gefühlt von Woche zu Woche. FI-Meetups finden statt, wie vor kurzem das Finanzglück-Treffen in Frankfurt oder das für diesen Sommer geplante Treffen von Jenny und Tim Schäfer in Stuttgart. Und auch die Financial Independence Week Europe (FIWE) wird in diesem Jahr wieder veranstaltet – aller Voraussicht nach im September in der rumänischen Stadt Timisoara.

Und nun gibt es seit einigen Tagen auch ein Buch über die deutsche und europäische FI-Bewegung:
Finanzielle Freiheit – wie Menschen leben, die nicht mehr arbeiten müssen von Gisela Enders.

Die Menschen, die Gisela in ihrem Buch zu Wort kommen lässt, sind sich einig: Uns geht es so gut, dass wir unseren materiellen Konsum locker ein ordentliches Stück zurück schrauben können, ohne dass wir an Lebensqualität verlieren. Dafür können wir uns dann etwas deutlich Wertvolleres leisten: Zeit und Selbstbestimmung.

Ich durfte zu diesem Buch ebenfalls ein Interview und sogar ein einen meiner Blog-Artikel beisteuern (nämlich den über die 752-Regel), den Gisela leicht angepasst in ihr Buch übernommen hat. In den letzten Monaten habe ich darum schon ganz gespannt auf das Erscheinen des Buches hin gefiebert und freue mich, dass ich es euch heute endlich vorstellen kann.
Aber vielleicht brennt euch erst noch eine andere Frage unter den Nägeln:

Wer ist eigentlich Gisela Enders?

Gisela EndersIch hatte das Vergnügen, Gisela letztes Jahr auf der Financial Independence Week in Budapest kennen zu lernen. Sie lebt in Berlin und ist dort selbstständig als Coach, Autorin und Moderatorin unterwegs. Ihr Steckenpferd ist unter anderem das Thema Körperakzeptanz. Sie hilft übergewichtigen Menschen dabei, sich nicht mehr schlecht in ihrer Haut zu fühlen und erfolglos von Diät zu Diät zu hangeln. Giselas Alternative: Lieber lernen, seinen Körper so zu akzeptieren wie er ist. So kann man zufriedener und optimistischer leben und zum Beispiel die Freude an der Bewegung wiederentdecken. Also genau das, was man eigentlich mit einer Diät zu erreichen versucht hat.

Ich habe Gisela als eine clevere und optimistische Frau erlebt, die sich in verblüffend vielen unterschiedlichen Themengebieten auskennt. So ist sie zum Beispiel auch eine bewanderte Gärtnerin1  oder gibt Coachings in Geldfragen oder für Gründer und Führungskräfte. Auf ihrem Blog klunkerchen bloggt sie außerdem über Geldthemen speziell (aber nicht nur) für Frauen und über die finanzielle Freiheit.
Und nun hat sie eben ein Buch über die deutsche und europäische FI-Community geschrieben.

Finanzielle Freiheit von Gisela Enders Buchcover

Worum geht es in dem Buch?

Finanzielle Freiheit ist in zwei Teile gegliedert.
Im ersten Teil diskutiert Gisela, was Erwerbsarbeit eigentlich ausmacht und wie sich der Charakter der Arbeitswelt im Laufe der Menschheitsgeschichte entwickelt und verändert hat. Sie deckt auf, was die Triebkraft hinter finanzieller Freiheit ist. Warum möchten Menschen nicht mehr für Geld arbeiten gehen? Was ändert sich, wenn man finanziell frei ist? Und natürlich die wichtigste aller Fragen: Mit welchen Strategien und Maßnahmen schafft man es überhaupt, finanziell unabhängig zu werden?

Besonders in die Tiefe geht das Buch dabei nicht – es ist mehr eine Art Helikopter-Überflug, ein Kurzportrait des Konzeptes Finanzielle Unabhängigkeit. Dafür aber ein gutes. Gisela spricht die wichtigen Kernideen an: Passives Einkommen, Fuck-you-Money, die 4 %-Regel. Auf vergleichsweise wenigen Seiten schafft sie es, die Quintessenz des Themas überzeugend herauszuarbeiten.

Für den zweiten (und umfangreicheren) Teil des Buches hat Gisela Menschen interviewt, die die finanzielle Freiheit bereits erreicht haben oder sich gerade auf dem Weg dorthin befinden. Darunter sind alte Bekannte, die auch in Budapest mit dabei waren, einige bekanntere deutsche Blogger, aber auch Menschen, die ihre Geschichte zum allerersten Mal öffentlich erzählen.

Bei den Interviews sticht vor allem eines hervor: Die Geschichten, Werdegänge und Strategien könnten unterschiedlicher kaum sein. Es gibt Singles, Paare und Familien mit Kindern. Einige sind in den späten 50ern in Rente gegangen, andere mit Anfang 30. Die einen leben von vermieteten Immobilien, andere investieren in Indexfonds oder Dividendenaktien. Wieder andere verlassen sich vor allem auf ihr eigenes Business als Einkommensquelle. Und manche haben nicht einmal ein wirkliches Vermögen. Sie leben im Ausland, wo die Lebenshaltungskosten niedrig genug sind, dass auch sie nicht mehr für Geld arbeiten gehen müssen.

Was alle diese Menschen jedoch gemeinsam haben: Sie sind mit einem ganz normalen Erwerbseinkommen finanziell frei geworden. Keiner hat im Lotto gewonnen oder von einer reichen Tante geerbt.
Und noch etwas: Alle geben sich mit einem relativ genügsamen Lebensstil zufrieden. Keiner scheint sich besonders für große Neuwagen oder regelmäßige Shopping-Touren zu interessieren. Alle haben für sich festgestellt, dass Zeitwohlstand und Selbstbestimmung wertvoller sind als die Übererfüllung bereits gestillter materieller Bedürfnisse.
Es sind interessante Charaktere, die Gisela interviewt hat. Jeder hat eine spannende Geschichte zu erzählen und sogar ich als „alter Hase“ konnte noch Neues aus den Interviews für mich mitnehmen.

Wer ist unter anderem mit dabei?

  • Robert und Emma (whatlifecouldbe) mit einem spannenden, sehr ausführlichen Interview. Sie kommt aus Schottland, er aus Rumänien. Sie haben sich in Deutschland kennen gelernt, dort gearbeitet und eine Familie gegründet. Ihr gespartes Geld haben sie in vermietete Immobilien investiert. Mit 31 waren sie finanziell frei und konnten ihre normalen Jobs kündigen.
  • Brandon, auch bekannt als der Madfientist. Er ist einer der bekanntesten US-FI-Blogger und lebt seit einigen Jahren mit seiner Frau in Edinburgh (Schottland). Er hat als Softwareentwickler gearbeitet, einen großen Teil seines Einkommens gespart und in Indexfonds investiert. Im Alter von 34 Jahren ist er in Rente gegangen.
  • Alex von Reich-mit-Plan. Er investiert in Dividendenaktien und geht einigen „Nebenprojekten“ nach (verrät uns aber leider nicht, worum es sich dabei genau handelt ;)). Mit Ende 30 hat er seinen Job gekündigt und gilt in der Nachbarschaft seitdem offiziell als „Hausfrau“.
  • Dagmar und Norbert sind mit Mitte 50 in die Türkei und später nach Bulgarien ausgewandert. Dort leben sie finanziell frei von einer kleinen Witwen- und Betriebsrente.
  • Nico von Finanzglück wohnt mit Frau und zwei Kindern in der Nähe von Frankfurt. Er vermietet Immobilien und investiert in ETFs. Mit Mitte 40 will er spätestens „in den Sack hauen“.
  • Mr. Retire in Progress ist waschechter Italiener und arbeitet als Softwareentwickler in der Schweiz. Er befindet sich momentan auf der Zielgeraden – in rund drei Jahren (mit Anfang 40) möchte er von seinem siebenstelligen Investment-Portfolio leben können.
    (Mit Emma, Robert und ihm hatte ich schon einige lustige Skype-Sessions. Ich hoffe wir lernen uns in Timisoara endlich mal persönlich kennen! :))
  • und noch einige andere

Mein Fazit

Finanzielle Freiheit ist keine Anleitung zum Reichwerden. Anders als andere Bücher zu diesem Thema ist es ein ruhiges Buch. Es schreit dich nicht an: Mit diesen zehn Tipps wirst du garantiert Millionär! Es ist ein mehr ein Portrait, eine Dokumentation finanziell freier Menschen, ihrer Erfahrungen und Motivation. Das macht es sehr angenehm zu lesen.

Was ich an dem Buch kritisieren würde: Dass es so schnell vorbei war. Trotz des Umfangs von rund 150 Seiten dachte ich am Ende: Schade, das war es schon?
Es ist und bleibt eben nur ein Helikopter-Überflug. Gisela und ihre Interview-Partner sprechen so viele interessante Aspekte, Gedanken und Geschichten an. Immer, wenn man denkt Oh, das ist jetzt aber spannend, und dann eigentlich mehr erfahren möchte, ist das Kapitel oder das Interview auch schon vorbei und es geht mit dem nächsten Thema weiter. Hier und da noch ein bisschen „tiefer zu bohren“ hätte dem Buch nicht geschadet. Zumindest bei den Bloggern hat man immerhin die Möglichkeit, auf den jeweiligen Blogs weiter zu lesen und mehr zu erfahren.

Insgesamt ist Finanzielle Freiheit vor allem Inspiration und Motivation. Sei es für den eigenen Weg zur finanziellen Unabhängigkeit – oder auch einfach als Anregung, mal abseits der ausgetretenen Pfade zu denken und das Modell 40-Stunden-Woche bis zur Rente mit 67 zu hinterfragen.

Danke auf jeden Fall für diesen wunderbaren Beitrag zur deutschen FI-Community, Gisela! Vielleicht gibt es ja irgendwann noch einen zweiten Teil? (der dann auch gerne etwas dicker werden kann :))

Wo kann ich das Buch bekommen (und was kostet der Spaß)?

Bestimmt seid ihr nun schon neugierig auf das fertige Buch. Mein Tipp: Bei Amazon könnt ihr ganz unverbindlich einen Blick ins Buch werfen und schon mal zwei Drittel des ersten Buchteils kostenlos lesen. Außerdem hat Gisela das Interview mit Monika Mann als kostenlose Leseprobe auf der Website zum Buch veröffentlicht.

Ihr habt Bock auf die vollen 152 Seiten? Noch bis zum Sonntag, den 26. Februar gibt es das E-Book auf Amazon zum Einführungspreis von 4,99 €. Danach kostet es regulär 9,90 €.

Die gebundene Ausgabe befindet sich derzeit noch im Druck und wird etwa ab dem 15. März zu kaufen sein. Über die Website zum Buch könnt ihr sie noch bis zum 10. März zum reduzierten Preis von 12,90 € vorbestellen (danach kostet das Buch 14,90 €).

Habt ihr Finanzielle Freiheit auch gelesen? Dann lasst mich eure Meinung wissen! Ich freue mich auf eure Kommentare. 🙂

1 Aus Budapest besonders in Erinnerung geblieben ist mir unser Gespräch über ihre sehr ingenieursmäßige Art der Schneckenabwehr – von Gisela kann man noch einiges lernen!

Der Beitrag Finanzielle Freiheit – Ein Buch über Leute, die es geschafft haben (oder auf dem Weg sind) erschien zuerst auf Frugalisten.

Teilzeitjob oder Early Retirement – Was darf’s für dich sein?

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Ich glaube, dass das gängige Lebensmodell der meisten Menschen in Deutschland auf einer gewaltigen Fehlannahme aufgebaut ist. Diese Fehlannahme lautet ungefähr so:

Arbeiten gehen müssen wir ja sowieso.

Von Kindesbeinen an wird uns vermittelt, dass es quasi unvermeidbar sei, unser gesamtes Leben lang in einem (Vollzeit-) Job arbeiten zu gehen. Schließlich müssen wir unser Geld ja irgendwie verdienen – und die Rente gibt es frühestens mit 63.
Da heißt es dann „Such dir einen Job, der dir Spaß macht, den musst du schließlich 40 Jahre lang machen!“
Oder vor den letzten Sommerferien der Schulzeit: „Genieße es nochmal. So viel Freizeit hast du nie wieder in deinem Leben!“

Auf diese scheinbar unumstößliche Grundannahme bauen wir dann alle weiteren Lebensentscheidungen auf, insbesondere unser persönliches Ausgabeverhalten. Es entsteht ein typischer Lebenslauf: Du absolvierst Ausbildung oder Studium und suchst dir danach einen Job, in welchem du ganz gutes Geld verdienst. Naja, und weil wir ja sowieso alle arbeiten gehen müssen, kannst du dein Gehalt dann ja auch mit vollen Händen ausgeben, oder etwa nicht?

Blöderweise wird aber gerade so die fehlerhafte Grundannahme zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung: Wenn du immer alles ausgibst, was du verdienst – ja dann musst du tatsächlich immer weiter arbeiten gehen, bis zum Rentenalter.

Ich glaube ja, wir müssen gar nicht sowieso arbeiten gehen – sondern nur deshalb, um unseren gewohnten Lebensstil finanzieren zu können. Und je weniger Geldverbrauch dieser Lebensstil beinhaltet (und je mehr wir verdienen), desto weniger müssen wir auch arbeiten gehen. So einfach ist das.

Mal ein plakatives Beispiel: Nehmen wir an, du kommst mit Ausgaben von monatlich 850 € gut und zufrieden über die Runden. Du arbeitest als selbstständiger Programmierer, Webdesigner oder Yogalehrer und verdienst 35 € netto in der Stunde. Dann müsstest du rein rechnerisch gerade mal drei Tage im Monat arbeiten gehen. Montag, Dienstag, Mittwoch – und dann hast du erst einmal 4 Wochen frei.
Oder du arbeitest in einem gewöhnlichen Vollzeitjob, brauchst aber nur die Hälfte deines Einkommens. Dann könntest du zum Beispiel abwechselnd 5 Jahre arbeiten und anschließend 5 Jahre lang die Füße hochlegen.

Vor einiger Zeit bin ich auf dem Blog des Finanzwesirs über folgende Grafik gestolpert. Sie zeigt, wie viel Geld ein durchschnittlicher Arbeitnehmer bei welchem Berufsabschluss im Laufe seines Lebens insgesamt (brutto) verdient:

Finanzwesir Lebensverdienst

(Bildquelle, Datenquelle)

Als Uni-Absolvent kann ich also mit einem Lebensverdienst von rund 2,3 Millionen Euro rechnen. Nicht schlecht! Nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben bleiben davon noch rund 1,4 Millionen Euro* übrig. Das entspricht bei 40 Arbeitsjahren einem monatlichen Netto-Gehalt von 2.900 €.

Da stellt sich für mich die Frage: Brauche ich in meinem Leben überhaupt so viel Geld? 1,4 Millionen Euro hört sich schließlich nach einem ganzen Haufen Kohle an.

Ich kann diese Frage für mich wohl mit Nein beantworten. In meinem Job als Softwareentwickler und mit meinem Nebengewerbe verdiene ich zurzeit mehr als dreimal so viel Geld wie ich für mein erfülltes und luxuriöses Leben überhaupt benötige. Ich könnte also locker deutlich weniger arbeiten – etwa nur die Hälfte der Zeit – und dafür die andere Hälfte frei machen.

Nun stellt sich dabei aber die Frage: Wie teile ich diese beiden Komponenten Arbeiten und Frei machen am besten auf meine verfügbare Zeit auf?
Grundsätzlich gibt es dafür zwei gegensätzliche Modelle, die sozusagen die beiden Extremformen aller Möglichkeiten darstellen.

Auf der einen Seite steht das Modell Teilzeitjob. Dabei teile ich Arbeiten und frei haben jeweils über einen einzelnen Tag auf: Vormittags gehe ich arbeiten, am Nachmittag ist Feierabend.
Die andere Seite bildet das Modell Early Retirement, also die Frührente mittels Finanzieller Unabhängigkeit. Dabei teile ich Arbeiten und Frei machen nicht über einen einzelnen Tag, sondern stattdessen über mein gesamtes Leben auf: Bis 40 gehe ich Vollzeit ackern, anschließend setze ich mich vollständig zur Ruhe.

Welches ist nun das bessere Modell? Sollte ich eher auf einen Teilzeitjob wechseln? Dann könnte ich mein Leben lang bei einer 20-Stunden-Woche entspannen. Oder arbeite ich weiter Vollzeit? Dann muss ich nicht die gewöhnlichen 40 Berufsjahre ableisten, sondern habe das Geld für den Rest meines Lebens schon nach 10 oder 15 Jahren komplett eingefahren.

Was ist besser: Early Retirement oder Teilzeitjob?

Wie wir gleich sehen werden, erhält man mit beiden Alternativen einen dicken Bonus, der den notwendigen Brutto-Lebensverdienst erheblich senkt. Beim Modell Early Retirement werde ich mit gewaltigen Kapitalerträgen belohnt, beim Teilzeitjob genieße ich dafür deutliche Steuervorteile.

Rechnen wir mal mit einem (absichtlich simplen) Beispiel. Nehmen wir an, dass meine Ausgaben mein gesamtes Leben lang genau 1.400 € im Monat betragen.
Wenn ich mit 26 ins Berufsleben einsteige und stolze 90 Jahre alt werde, dann ergibt das 65 Jahre × 12 Monate × 1.400 € = 1,1 Millionen Euro, die ich in meinem gesamten Leben an Geld „verbrauche“.

Das Modell Early Retirement

Um bei monatlichen Ausgaben von 1.400 € in die Frührente gehen zu können, muss ich laut der 4 %-Regel ein Vermögen von rund 420.000 € ansparen.
Nehmen wir an, dass ich das mit einer Sparquote von 50 % und einer durchschnittlichen Rendite von 5 % pro Jahr innerhalb von 17 Jahren schaffe. Ich verdiene also jeden Monat 2.800 €, von denen ich 1.400 € ausgebe und 1.400 € spare.
Nach 17 Jahren (dann bin ich 43) habe ich es schließlich geschafft: Ich habe 420.000 € im Depot und die Ausgaben für den Rest meines Lebens sind ab jetzt gedeckt. Ab sofort müsste ich keinen weiteren Cent mehr verdienen gehen.

Wie viel Geld musste ich davon selbst erarbeiten? Natürlich die gesparten 420.000 € – plus die 285.000 €, die ich im Laufe der 17 Jahre ausgegeben habe. Macht zusammen 705.000 €. Man beachte: Das ist etwa die Hälfte unseres Durchschnitts-Akademikers, der 40 Jahre lang für 1,4 Millionen Euro ackern geht. Und dabei sind mögliche staatliche Rentenbezüge noch nicht mit eingerechnet, die ich ab 67 ja noch zusätzlich bekomme.

Allerdings werde ich mit 90 Jahren 1,1 Millionen € ausgegeben haben. Woher kommen die fehlenden knapp 400.000 €? Ganz einfach: Die sind im Laufe der Zeit durch die Kapitalerträge des angesparten Vermögens dazu gekommen.

Hoppla, das müssen wir nochmal dick hervorheben:
Ich habe 400.000 € an Kapitalerträgen bekommen, für die ich keinen Finger krumm machen musste! Das ist der saftige Rendite-Bonus des Early Retirement, den ich durch das frühe und schnelle Sparen und Investieren voll ausnutzen kann.

Wie sieht diese Rechnung beim Teilzeitjob aus?

Das Modell Teilzeitjob

In einem Teilzeitjob habe ich diesen Rendite-Bonus natürlich nicht, da ich mehr oder weniger von der Hand in den Mund lebe und gar kein (oder zumindest deutlich weniger) Geld ansparen kann. Dafür gibt es zum Ausgleich einen satten Steuerbonus.

Nehmen wir an, ich habe genau den gleichen Job wie eben, arbeite aber nur 20 statt 40 Stunden die Woche. Arbeite ich nur halbtags, kriege ich auch nur das halbe Brutto-Gehalt. Mein Vollzeit-Netto von 2.800 € entspricht ungefähr einem Brutto von 4.800 €*, damit bekäme ich halbtags also 2.400 €. Weil ich aber prozentual weniger Steuern abgezogen bekomme als im Vollzeit-Job, beträgt mein Netto-Einkommen dann 1.600 €, also 200 € mehr als die Hälfte des Vollzeit-Netto.
Kurz gesagt: Ich arbeite nur 50 % der Zeit, bekomme durch die geringere Steuerlast aber 57 % des Gehalts.

Wenn ich wie gewohnt 1.400 € im Monat ausgebe, habe ich diese 200 € übrig. Das entspricht immerhin einer Sparquote von 12,5 % und liegt damit knapp über der deutschen Durchschnitts-Sparquote von rund 10 %. Dieses Geld kann ich zum Beispiel für Notfälle zurücklegen oder meine staatliche Rente damit aufbessern. Oder ich nutze es, um ein paar Jahre früher als mit 67 (etwa mit 63 oder 64) in Rente zu gehen.

Wenn ich über 40 Jahre monatlich diese 200 € spare und bei 5 % Rendite investiere, dann werden daraus am Ende knapp 300.000 €.
Hoppla, das müssen wir auch nochmal dick hervorheben:
Ich habe 300.000 € durch Steuervergünstigungen (und deren Kapitalerträge) erhalten, für die ich keinen Finger krumm machen musste! Das Ist der saftige Steuervorteil des Teilzeitjobs, den ich durch das niedrigere Brutto-Einkommen erhalte.

Wer hat nun die Nase vorn?

Das Brutto-Gehalt meines Teilzeitjobs (2.400 €) summiert sich nach 40 Jahren zu einem Gesamt-Lebensverdienst von rund 1,15 Millionen Euro.
Wir erinnern uns: Beim Modell Early Retirement verdiene ich 17 Jahre lang 4.800 € brutto. Damit komme ich auf einen Gesamt-Lebensverdienst von rund 980.000 €. Also etwas weniger als im Teilzeitjob.

Auch muss ich beim Early Retirement nur 17 Jahre Vollzeit arbeiten. Somit muss ich insgesamt weniger Zeit auf der Arbeit verbringen als beim Teilzeitjob. Aus diesem kann ich frühestens nach 36 bis 37 Jahren aussteigen, was rund 18 Vollzeitjahren entspricht.

Aus rein mathematischer Sicht hat das Modell Early Retirement damit die Nase vorn – zumindest um ein paar Zentimeter.

Welche Unterschiede gibt es sonst noch?

Das echte Leben besteht natürlich nicht nur aus reiner Mathematik. Für die Entscheidung „Early Retirement oder Teilzeitjob“ spielen auch noch weitere Faktoren eine Rolle. Die hängen mitunter von der persönlichen Situation und den eigenen Vorlieben ab.

  • Einer der wichtigsten Faktoren ist vermutlich die Krankenversicherung.
    Arbeite ich Teilzeit, ist die Sache ganze einfach: Ich bin zeitlebens über meinen Job krankenversichert. Diesen Luxus habe ich als Frührentner nicht: Hier muss ich bis zum staatlichen Rentenalter selbst für meine Krankenversicherung aufkommen.
    Auch hier gibt es natürlich wieder Gestaltungsmöglichkeiten. Ich könnte etwa in ein Land auswandern, in dem die Krankenversicherung sehr günstig ist oder es sogar eine kostenlose staatliche Krankenversicherung gibt, wie z.B. in Großbritannien. Oder ich arbeite weiterhin für 1-2 Tage die Woche in einem Midijob (mit mehr als 450 € Einkommen im Monat) und bin dann durch diesen krankenversichert.Kommen diese Möglichkeiten nicht in Betracht, dann muss ich in den sauren Apfel beißen und die Kosten für die Krankenversicherung aus eigener Tasche übernehmen. Bei einem Kapitaleinkommen von 1.400 € wären das (bei der aktuellen Gesetzgebung) rund 200 € im Monat.
    Die Krankenversicherung ist damit ein Pluspunkt für den Teilzeitjob.
  • In einem Vollzeitjob kann ich vermutlich schneller und besser Karriere machen und so leichter mehr Geld verdienen. In meinem Beruf als Softwareentwickler wäre es vermutlich gar nicht so einfach, als Teilzeitjobber beispielsweise in eine Management-Position zu gelangen. Pluspunkt fürs Early Retirement.
  • Mit dem Modell Early Retirement habe ich außerdem viel schneller ein Fuck-You-Money aufgebaut – ein großes Finanzpolster, das mir mehr finanzielle Entscheidungsfreiheit gibt. Mit diesem Vermögen habe ich die Möglichkeit zu sagen: Nö, darauf habe ich keinen Bock. Es lässt mich bei Jobverlust oder Krankheit beruhigt schlafen. Mit einem dicken Aktiendepot in der Hinterhand bin ich nicht so stark auf mein Einkommen angewiesen, wie wenn ich von der Hand in den Mund lebe.
    Pluspunkt fürs Early Retirement.
  • Wenn ich früh in Rente gehe, bin ich außerdem nicht mehr auf die Urlaubstage in meinem Job angewiesen und kann so leichter mal einige Monate verreisen oder mich meinen eigenen Projekten widmen. Arbeite ich Teilzeit, so muss ich trotzdem jeden Tag zur Arbeit fahren und mir von meinem Arbeitgeber Urlaub genehmigen lassen, wenn ich verreisen möchte.
    Pluspunkt fürs Early Retirement.
  • Auf der anderen Seite erlaubt mit der Teilzeitjob, mehr Zeit in meinen besten Jahren übrig zu haben, wenn ich noch jung und knackig bin. Wenn ich noch ganze Nachmittage lang Skateboard fahren kann, oder eine Familie habe und mehr Zeit für meine Kinder übrig haben möchte, solange die noch klein und süß sind.
    Pluspunkt für den Teilzeitjob.
  • In einem Teilzeitjob habe ich außerdem früher mehr Zeit für Weiterbildung, Nebentätigkeiten und Hobby-Projekte (wie zum Beispiel einen Blog). Und das macht sich vielleicht sogar irgendwann bezahlt, etwa mit einem lukrativen Nebeneinkommen. Das Leben ist einfach ein bisschen diversifizierter, als wenn man 8 Stunden das Gleiche macht, und es ergeben sich dadurch vielfältigere Chancen. Außerdem habe ich mehr Zeit, um meine sozialen Kontakte auch außerhalb der Arbeit zu pflegen.
    Pluspunkt für den Teilzeitjob.
  • Grundsätzlich haben Teilzeitjob und Early Retirement eine unterschiedliche Risikostruktur. Beim Teilzeitjob bin ich viel mehr von meinem Job und dem Arbeitsmarkt abhängig. Ein Jobverlust oder eine Erwerbsunfähigkeiten stellen ein großes Risiko dar, da alleine mein Job meinen Lebensunterhalt sichert. Beim Early Retirement lässt mich ein Jobverlust einigermaßen kalt. Dafür bin ich deutlich abhängiger von der Börse und den Renditen meiner Kapitalanlagen.
    Habe ich also einen besonders risikoreichen oder bedrohten Job, dann könnte das Investment-Risiko des Early Retirements das geringere Übel sein. Bin ich hingegen Beamter auf Lebenszeit und sitze fest im Sattel, ist das Teilzeitmodell möglicherweise die sicherere Alternative.

Am Ende des Tages muss ich mich zum Glück aber gar nicht für eine der beiden Extremvarianten entscheiden. Schließlich kann ich die beiden Modelle auch kombinieren, so dass sie am besten zu meiner Lebenssituation und meinen Zielen passen.

So könnte ich etwa ein paar Jahre Vollzeit arbeiten und Berserker-Sparen, bis ich ordentlich Fuck-You-Money zusammen habe und die folgenden Jahrzehnte vom Rendite-Bonus profitieren kann. Sobald ich eine Familie gründe und mehr Zeit für die Kinder haben möchte, wechsele ich auf einen kleinen Teilzeitjob und nehme so Krankenversicherung und Steuervorteil mit.

Entscheide ich mich für das Modell Early Retirement, dann kann ich auch zwischendurch mal einige Sabbat-Monate oder -Jahre nehmen, in denen ich für eine Zeit von meinem Ersparten lebe. Auszeiten quasi, um meine besten Jahre voll zu genießen, herumzureisen oder mich ganz meinen Hobbies widmen zu können.

Habe ich einen geeigneten Beruf, kann ich auch einige Jahre als Vollzeit-Angestellter Geld ansparen und mich anschließend selbstständig machen. Als Softwareentwickler wäre das zum Beispiel eine gute Möglichkeit. So kann ich deutlich mehr verdienen, bekomme aber dank meinem angesparten Finanzpolster keine Existenzängste, falls das Geschäft doch mal nicht so gut läuft wie erwartet.

Fazit

Wir sollten uns von dem gängigen Paradigma verabschieden, dass wir sowieso arbeiten gehen müssten. Es gibt in unserem Land kein Gesetz, das es vorschreibt, bis 67 oder sonst irgendeinem Alter in einem Vollzeitjob arbeiten zu gehen.

Trotzdem tun wir mehrheitlich genau das. Wir ackern die kompletten 1,4 Millionen Euro (oder wie viel auch immer) herunter, ohne uns zu fragen: Brauche ich so viel Geld für ein gutes und erfülltes Leben überhaupt?

Wer Vollzeit für ein gutes Gehalt arbeiten geht und Monat für Monat alles wieder ausgibt, fährt im Prinzip mit angezogener Handbremse durchs Leben. Er zahlt hohe Steuern und Sozialabgaben und verzichtet auf den wertvollen Rendite-Bonus – Kapitalerträge, für die er gar nicht erst arbeiten gehen müsste.

Wir machen den Fehler, unsere Ausgabegewohnheiten an unser Gehalt anzupassen. Warum machen wir es nicht umgekehrt und passen unser Gehalt an unsere Ausgabegewohnheiten an? Typischerweise startet man ja noch mit recht niedrigen Ansprüchen ins Berufsleben. Wer diese niedrigen Ansprüche beibehält (oder sogar noch senken kann), der braucht unter Umständen viel weniger als er verdient und kann leicht mit einem Teilzeitjob über die Runden kommen, oder mit 40 in Rente gehen.

Für mich steht außer Frage, dass ich den Vollzeit-bis-67-Standardweg nicht gehen möchte. Zurzeit habe ich mich für das Modell Early Retirement entschieden. Ich arbeite Vollzeit und spare derzeit 70 % meines Einkommens, was für mich als Berufsanfänger ohne Kinder momentan ganz gut passt.
Ich kann mir aber auch vorstellen, in meinem nächsten Job mal umzuschwenken und für einige Zeit das Teilzeit-Modell auszuprobieren (mit ein bisschen Selbstständigkeit nebenbei).

Wofür würdest du dich entscheiden? Teilzeitjob oder Early Retirement? Oder irgendetwas dazwischen?

Der Beitrag Teilzeitjob oder Early Retirement – Was darf’s für dich sein? erschien zuerst auf Frugalisten.

Goodbye England! …und die finanzielle Freiheit auf Probe

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Erinnert ihr euch noch? Im vergangenen Herbst ist Joana in die Karibik aufgebrochen, um dort für ein halbes Jahr auf dem Segelschiff Mercedes zu arbeiten. Während der letzten sechs Monate hat sie dort Taue gezogen, das Schiff instand gehalten, den Ausflugspassagieren das Schiff erklärt und Snacks und Getränke serviert. Weil Joana ja eigentlich Grafikdesignerin ist, hat sie für ihre Reederei sogar ein kurzes Video über das Schiff produziert. Aber seht selbst:

Wer übrigens glaubt, dass ich in allen Lebensbereichen der unangefochtene Chef-Frugalist sei, den muss ich eines Besseren belehren. Während ihres Abenteuers hat Joana nur aus einer Reisetasche gelebt und sich mit ihrer holländischen Kollegin eine drei Quadratmeter kleine Kajüte geteilt. Ihr Fazit, als sie wieder da war: Ich habe überhaupt nichts vermisst. Mehr braucht man eigentlich gar nicht.
Dagegen habe ich in meinem gemütlichen WG-Zimmer fast schon verschwenderisch luxuriös gewohnt.

Auf jeden Fall ist das halbe Jahr mittlerweile um und Joana ist von ihrem Segel-Abenteuer wieder zurückgekehrt. Als allererstes hat sie mich für drei Wochen hier in England besucht. Und ich kann euch beruhigen: Wir haben uns noch wiedererkannt, auch wenn wir uns ein halbes Jahr nicht gesehen haben. 😉

Als die Wettervorhersage für einige Tage Sonnenschein angekündigt hat, sind wir spontan für einige Tage mit dem Zelt ans Meer gefahren. Es war herrlich: Unser Campingplatz lag direkt am Strand, wir waren baden, haben Lagerfeuer am Strand gemacht und uns einfach mal ein bisschen faul in die Sonne gelegt.

Der Kurzurlaub war noch nicht einmal besonders teuer:

  • Vier Übernachtungen auf dem Campingplatz für rund 40 € pro Person
  • Hin- und Rückfahrt mit dem Zug an die 300 km entfernte Ostküste für etwa 60 € pro Person
  • Zweimal sind wir außer Haus Burger essen gegangen, ansonsten haben wir uns im nahe gelegenen Supermarkt selbst versorgt. Macht 40 € pro Person für Essen und Trinken.

Mittlerweile ist Joana wieder in Deutschland und sucht dort nach einem neuen Job in ihrem eigentlichen Beruf als Grafikdesignerin. Und auch ich habe diese Woche meinen Job hier in England gekündigt.
Das bedeutet: Wir verlassen England und kehren wieder nach Deutschland zurück!
Und nein, es liegt nicht am Brexit. Der England-Aufenthalt sollte schon immer nur ein kleines Abenteuer für ein oder zwei Jahre werden. Auf Dauer wollen wir einfach lieber in unserer Heimat und näher bei unseren Familien leben.

Wohin es uns in Deutschland verschlagen wird, das ist allerdings noch vollkommen offen. Es hängt davon ab, wo Joana einen Job finden wird. Vielleicht Köln, Düsseldorf oder Hamburg? Oder ganz woanders? Wir werden es sehen.

Und was ist mit mir? Suche ich auch schon einen neuen Job in Deutschland?
Nein, erstmal noch nicht. Das hat vor allem den Grund, dass Joana zuerst eine neue Arbeit finden soll. Dass ich mir vor Joana einen Arbeitsplatz suche, diesen Fehler haben wir schon vor zwei Jahren hier in England begangen. Als Folge war Joana geografisch auf die Gegend um meine Arbeit festgelegt und es gab nur wenig Auswahl an möglichen Arbeitgebern. Am Ende lagen unsere Arbeitsstellen weit auseinander und wir mussten beide viele Kilometer mit dem Zug und dem Auto zu unseren Jobs und zurück pendeln. Das wollen wir nicht noch einmal haben.

Darum sucht sich Joana jetzt zuerst einen Arbeitsplatz (möglichst in einer größeren Stadt) und ich bewerbe mich dann anschließend irgendwo dort in der Nähe. Als Softwareentwickler, einem der zurzeit gefragtesten Berufe, habe ich es wahrscheinlich um einiges leichter eine Stelle zu finden als sie. Und falls ich wider Erwarten nicht gleich eine Anstellung finden sollte, dann kann ich im Notfall auch eine Weile von Zuhause aus arbeiten.

Aber es gibt noch einen weiteren Grund, warum ich in Deutschland nicht sofort einen neuen Job beginne…

Eine kleine Kostprobe der Finanziellen Freiheit

Wie euch ja vermutlich bekannt ist, spare ich jeden Monat einen großen Teil meines Einkommens. Mein Wunsch ist es, eines Tages nicht mehr für Geld arbeiten gehen zu müssen. Noch vor meinem 40. Geburtstag möchte ich finanziell ausgesorgt haben.

Allerdings stößt mein Vorhaben des Öfteren auch auf Kritik. Ein häufig geäußerter Kritikpunkt: Ich würde die besten Jahre meines Lebens nicht in vollen Zügen genießen. Statt mir im Hier und jetzt ein schönes Leben zu gönnen, nehme ich große Entbehrungen auf mich, um irgendwann in der Zukunft einmal früher in Rente gehen zu können.

Ich sehe diese Kritik als durchaus gerechtfertigt an. Schließlich habe ich in die letzten zwei Jahre Vollzeit für mehr als 2.000 € Gehalt im Monat geschuftet, obwohl ich nur gut 800 € davon zum Leben gebraucht habe. Würde ich vollständig die Gegenwart genießen und rein gar nicht an die Zukunft denken, dann hätte ich mir wohl eher einen gemütlichen Teilzeitjob gesucht und wäre den Rest der Zeit entspannt meinen Hobbys nachgegangen.

Allerdings nützt mir das gesparte Geld nicht erst in der Zukunft etwas, sondern bereits jetzt schon.

Wie lange kannst du von deinem Geld frei machen?

Ich habe ja gerade meinen Job gekündigt. Wie lange könnte ich nun von meinem Ersparten leben, bis mein Geld aufgebraucht wäre?
Viele Menschen kommen schon in finanzielle Schwierigkeiten, wenn eine Stromnachzahlung ins Haus flattert oder eine unerwartete Reparatur anfällt. Ein Jobverlust würde so manchen schon nach ein paar Tagen ins Schwitzen bringen. Du kannst ein paar Monate oder sogar ein ganzes Jahr Arbeitslosigkeit von deinem Ersparten überbrücken? Dann stehst du vermutlich schon ganz gut da.

Würde ich mir keinen neuen Job suchen, dann könnte ich ab jetzt rund sieben Jahre auf der faulen Haut liegen – vorausgesetzt ich behalte meine derzeitigen Ausgaben bei. Erst im Jahr 2024, wenn ich 35 bin, müsste ich wieder anfangen Bewerbungen zu schreiben. Bis dahin könnte ich ganz entspannt von meinem Vermögen leben.

Die folgende Tabelle verdeutlicht diese Rechnung. Ich beginne mit meinem aktuellen Vermögen von rund 72.000 €. Der Einfachheit halber nehme ich an, dass das Ganze mit moderaten 1 % verzinst wird. Meine monatlichen Ausgaben betragen 890 €*.
Am Ende des 7. Jahres habe ich noch 153 € übrig.

Vermögen zu Anfang 72.000 €
nach 1 Jahr 62.040 €
nach 2 Jahren 51.980 €
nach 3 Jahren 41.820 €
nach 4 Jahren 31.558 €
nach 5 Jahren 21.194 €
nach 6 Jahren 10.726 €
nach 7 Jahren 153 €

Natürlich sind diese sieben Jahre nur ein Gedankenspiel. Schließlich möchte ich erstmal noch ein paar Jahre weiter arbeiten und sparen, so dass aus den sieben Jahren irgendwann ein wahrscheinlich für immer wird.

Nun aber nochmal zurück zum Kritikpunkt. Opfere ich mich in der Gegenwart zu sehr für die zukünftige Frührente auf? Sollte ich von meinem Geld doch ein bisschen mehr das Leben genießen? Immerhin habe ich ja quasi sieben Jahren Freizeit auf dem Konto!

Da könnte ich doch einen klitzekleinen Teil davon vielleicht jetzt schon verbrauchen, oder? Und was könnte die perfektere Gelegenheit dafür sein, als wenn Sommer ist und ohnehin ein Jobwechsel ansteht?

Also werde ich genau das tun und diesen Sommer erstmal ganz entspannt drei Monate blau machen!

Anfang Juli ist mein letzter Arbeitstag hier in England. Dann komme ich nach Deutschland zurück und werde erstmal ein bisschen entspannen und herumreisen. Mit Joana Urlaub in Bayern machen. Meine Freunde und meine Familie besuchen, Grillen, Lagerfeuer machen, Baden gehen, den Sommer genießen. Und vor allem natürlich: jede Menge Skateboard fahren.
Auf gut Deutsch könnte man zusammenfassend sagen:

Einfach Rumpimmeln und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. 😉

Mitte September fahre ich dann noch auf die Financial Independence Week 2017 nach Timisoara in Rumänien. Und erst wenn ich von dort wieder zurückkomme, schaue ich mich ganz in Ruhe nach einer neuen Arbeit um.

Da soll also nochmal einer behaupten, ich würde das Leben in der Gegenwart nicht genießen.

Kauf dir Sommerferien, so viel du willst

Erinnerst du dich noch an das letzte Jahr deiner Schulzeit? Vor den letzten großen Sommerferien, wenn die Lehrer oder die Eltern gesagt haben:

Genieße es nochmal, so viel freie Zeit hast du später nie wieder in deinem Leben!

Ich habe das damals auch geglaubt. Die Erwachsenen werden schon wissen, wovon sie reden, dachte ich.
Heute weiß ich es besser. Wenn man sein Geld sorgfältig spart und aufs Konto oder ins Aktiendepot packt, dann kann man sich einfach jederzeit seine eigenen Sommerferien kaufen. Und zwar nicht nur die popeligen sechs Wochen, die man in der Schule bekommen hat. Sondern so viel wie man möchte.

* das ist etwas höher als meine tatsächlichen aktuellen Ausgaben, da ich als Erwerbsloser einen etwas höheren Beitrag für die Krankenversicherung bezahlen müsste als jetzt.

Der Beitrag Goodbye England! …und die finanzielle Freiheit auf Probe erschien zuerst auf Frugalisten.


Von den Zinsen leben – Entnahmestrategien unter der Lupe (Teil 1)

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Stell dir vor, du hast es geschafft. Jahrzehntelang hast du hart gearbeitet und ein stattliches Vermögen angespart. Nun ist es endlich soweit: Du hängst deinen Job an den Nagel und beschließt, künftig nur von deinem Vermögen und dessen Erträgen zu leben.

Wie aber stellst du das am besten an? Einfach von den Zinsen leben? Oder dein Finanzpolster Stück für Stück aufbrauchen? Dein Vermögen sollte einen möglichst planbaren und konstanten Einkommensstrom generieren – etwa so wie ein monatliches Gehalt. Am besten trudelt einfach jeden Monat eine feste Geldsumme auf deinem Konto ein, die deine Ausgaben deckt.

Wenn du Immobilien besitzt und vermietest, geht das noch relativ leicht. Von deinen Mietern bekommst du jeden Monat Geld überwiesen, das du ausgeben kannst. Und wenn du irgendwann älter wirst und nichts vererben möchtest, kannst du deine Immobilien nach und nach verkaufen und den Erlös ebenfalls ausgeben.

Rente mit Aktien

Anders sieht die Sache allerdings aus, wenn du in Aktien oder ein ETF-Portfolio investierst. Denn Aktienerträge bestehen aus Dividenden und Kursgewinnen – und während die Dividenden meist noch einigermaßen stabil bleiben, schwanken die Kursgewinne im Zeitverlauf wild hin und her.

Schauen wir uns beispielsweise die jährliche Rendite (Kursgewinne plus Dividenden) des MSCI World-Aktienindex an:

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
-13,9 % -24,0 % 25,8 % 11,8 % 16,3 % 16,1 % 5,2 % -38,3 %
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
26,5 % 10,6 % -3,5 % 14,6 % 29,6 % 10,4 % 2,6 % 9,6 %

MSCI World Index (mit reinvestierten Dividenden) – jährliche Renditen vor Quellensteuerabzug (Brutto-Index)
(Quelle: http://www.clever-und-erfolgreich.de/etf-rendite/)

Wir stellen schnell fest: Planbar und gleichbleibend ist da mal überhaupt nichts. Wie bei den Mieteinnahmen einfach die Erträge auszugeben funktioniert hier also nicht.

Und wenn wir einfach die durchschnittliche Rendite berechnen (im Beispiel wären das 6,4 %) und jedes Jahr entsprechend viele Aktien oder ETF-Anteile verkaufen?

Das klingt zwar auf den ersten Blick gut, würde in Wahrheit aber ziemlich nach hinten losgehen. Denn wie wir später noch sehen werden, spielt die genaue Reihenfolge der einzelnen Jahres-Renditen eine gewaltige Rolle. Treten die schwachen Börsenjahre zu Anfang der Rentenzeit auf, ist man ratzfatz bankrott, obwohl die durchschnittliche Rendite unverändert bleibt. Dazu aber in einem zukünftigen Artikel mehr.

Was taugt die 4 %-Regel?

Es ist also alles gar nicht so einfach. Wer mit einem Aktien- oder ETF-Portfolio seinen Lebensunterhalt bestreiten will, der braucht eine passende Entnahmestrategie. Und das ist ein ziemlich komplexes Thema. Seit über 20 Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler und Finanzexperten schon mit der Frage: Wie erzeugt man aus den schwankenden Erträgen des Aktienmarkts am besten ein regelmäßiges Einkommen?

Wer sich für das Thema Finanzielle Unabhängigkeit interessiert, der hat wahrscheinlich schon einmal von der Trinity Study oder der Safe Withdrawal Rate (SWR) gehört. In den 1990er-Jahren waren das die ersten Versuche der Wissenschaft, Entnahmeregeln für ein Aktienportfolio zu entwickeln. Daraus ist schließlich die bekannte 4 %-Regel entstanden:

Aus einem gemischten Portfolio aus Aktien und Anleihen kann man jedes Jahr 4 % des anfänglichen Wertes entnehmen (und diesen Betrag jährlich an die Inflation anpassen), ohne innerhalb von 30 Jahren bankrottzugehen.

Allerdings sind diese Erkenntnisse auch schon rund 20 Jahre alt und in der Zwischenzeit hat sich einiges getan. Mittlerweile hat sich herausgestellt: Die 4 %-Regel taugt noch als grobe Orientierungshilfe und Faustformel. Als ernstzunehmende Entnahmeregel sollte man sie aber eher nicht mehr verwenden.

Besser geeignet sind Strategien, die besser auf den Markt und auf individuelle Faktoren eingehen. Wie hoch ist die erwartete Rendite des Aktienmarkts in den nächsten Jahren? Erhalte ich eine staatliche Rente? Kann ich im Notfall meine Ausgaben zurück schrauben oder einen Nebenjob annehmen? Brauche mit steigendem Alter vielleicht weniger Geld?

Hierfür wurden in den letzten Jahren komplexere, dynamische Entnahmemodelle entwickelt. Der Einfluss von Marktbewertungen und persönlicher Faktoren wurde näher untersucht. Und mit Tools wie cFIREsim kann mittlerweile jeder ganz einfach selbst Simulationen durchführen und die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Portfolios unter verschiedenenen Annahmen berechnen.

Beitragsserie: Ennahmestrategien unter der Lupe

Mit diesem Beitrag will ich eine kleine Serie starten, mit der ich in den kommenden Monaten einmal Licht ins Dunkel bringen möchte. Zunächst soll es um die theoretischen Grundlagen gehen:

Was sind wahrscheinlichkeitsbasierte Rentenmodelle?
Wie gefährlich ist das Sequence-of-Returns-Risiko?
Was unterscheidet statische von dynamischen Entnahmeraten?

Anschließend will ich mir die wesentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse anschauen und verschiedene Entnahmemodelle vorstellen.

Das Dreieck der Entnahmestrategien

Egal wie einfach oder komplex eine Entnahmestrategie auch sein mag – alle versuchen stets dasselbe Dilemma zu lösen.
Wenn du aus einem Portfolio von volatilen (d.h. im Wert schwankenden) Anlagen deinen Lebensunterhalt bestreiten will, stehst du nämlich vor einem Optimierungsproblem.

Auf der einen Seite soll das Einkommen möglichst hoch und möglichst konstant sein. Schließlich möchtest du das Maximum aus deinem Ersparten herausholen. Die Summe, die du insgesamt ansparen musst, um deine Ausgaben decken zu können, soll möglichst klein sein. Auch sollen die Entnahmen nicht zu stark schwanken. Im besten Fall entsprechen sie immer genau deinen Ausgaben, die im Regelfall ja auch einigermaßen konstant sind.

Auf der anderen Seite soll das Portfolio möglichst bankrottsicher sein. Das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit soll möglichst gering sein, dass du das Portfolio zu deinen Lebzeiten vollständig entsparst – dir also das Geld ausgeht.

Diese drei Forderungen stehen in Konflikt zueinander. Entnimmst du zu viel (oder zu ungünstigen Zeitpunkten) Geld aus deinem Portfolio, so steigt das Bankrott-Risiko. Reduzierst du die Bankrott-Wahrscheinlichkeit und entnimmst weniger Geld, reicht der Einkommensstrom möglicherweise nicht mehr zur Deckung deiner Ausgaben – oder du bleibst mit den Entnahmen unter deinen Möglichkeiten.

Egal ob Dividenden-Strategie, 4 %-Regel oder CAPE-adjustiertes Guyton-Klinger-Verfahren: Jede Entnahmestrategie versucht eine Lösung für genau dieses Dilemma anzubieten. Manche Strategien legen den Fokus dabei mehr auf konstante Auszahlungen und niedriges Bankrott-Risiko, andere auf hohe Entnahmebeträge. Wieder andere versuchen eine Balance aus allen dreien herzustellen.

Es handelt sich hierbei um ein magisches Dreieck: Optimiert man zwei Faktoren, geht das auf Kosten des dritten – alles gleichzeitig geht nicht.

Entnahmestrategien Dreieck

Ich hoffe ich konnte euch schon mal ein bisschen neugierig auf das Thema Entnahmestrategien machen. Es ist ein spannendes Gebiet, das deutlich über die Frage Funktioniert die 4 %-Regel noch? hinaus geht. Wenn ihr Fragen habt oder euch etwas unklar ist, lasst gerne einen Kommentar da.

Im nächsten Beitrag dieser Serie wird es um unseren Erzrivalen gehen, der uns bei der Rentenplanung mit volatilen Anlagen die Show vermasseln will: Dem Sequence-of-Returns-Risiko. Ich kann euch schon mal warnen: Mit diesem kleinen Teufel ist nicht zu spaßen!

Der Beitrag Von den Zinsen leben – Entnahmestrategien unter der Lupe (Teil 1) erschien zuerst auf Frugalisten.

Ausgepimmelt! Ein Sommer ohne Arbeit – und wie es jetzt bei uns weiter geht

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Rund drei Monate lang habe ich diesen Sommer nicht gearbeitet – vom 7. Juli (meinem letzten Arbeitstag in England) bis zum 3. Oktober.

Statt die Sommermonate über im Büro zu sitzen und das schöne Wetter nur durch die Fensterscheibe zu beobachten, habe ich einfach das gemacht worauf ich gerade Lust hatte und währenddessen von meinem Ersparten gelebt. Ordentlich rumgepimmelt eben – quasi eine Kostprobe der finanziellen Unabhängigkeit.

Nun ist diese kleine Auszeit vorbei. Seit rund einem Monat bin ich zurück im Hamsterrad und arbeite wieder 40 Stunden in der Woche.

Zeit also für ein kleines Resümee. Wie ist meine Finanziellen Freiheit auf Probe verlaufen? Was habe ich erlebt? Könnte ich mir in Zukunft dauerhaft so ein Leben ohne Job vorstellen? Und was genau mache ich nun zukünftig in Hannover?

Was habe ich die ganze Zeit über getrieben?

Vielleicht ist euch schon aufgefallen, dass ich in den vergangenen Monaten weniger Blogartikel veröffentlicht habe als üblich. Das lag daran, dass ich trotz der vielen Freizeit eigentlich immer voll beschäftigt war.

Einen Teil der Zeit habe ich genutzt, um ein wenig durch die Gegend zu reisen. Im Juli haben Joana und ich ein paar Tage Urlaub in Bayern gemacht.
Im August war ich knapp eine Woche lang in Bremen und Hamburg unterwegs, habe Freunde besucht und war auf dem Hamburger Finanzblogger-Treffen, das Vincent von freaky finance organisiert hatte:

FIWE 2017

Ende September ging es schließlich zur Financial Independence Week ins rumänische Timișoara. Und die war einfach nur wahnsinnig gut!

Am Wochenende gab es zunächst eine kleine Konferenz rund um das Thema Finanzielle Unabhängigkeit. Rund 25 Teilnehmer waren dafür aus ganz Europa angereist.
Die Vorträge zur Konferenz steuerten die Teilnehmer selbst bei. Claus von p2p-kredite.com gab uns eine prima Einführung ins Investieren in Privatkredite. Hannes berichtete, wie er Wohnungen über AirBnB vermietet. Sarah erzählte von ihrem Leben als Digitale Nomadin – seit vier Jahren tingelt sie ohne festen Wohnsitz durch die Weltgeschichte und arbeitet per Laptop von unterwegs aus. Selten bleibt sie länger als ein paar Wochen am selben Ort. Ihre Habseligkeiten wiegen zusammen 8 Kilogramm und passen in einen Rucksack.

Brian hatte mit seiner Familie ein paar Wochen in einer abgeschiedenen Hütte im Wald verbracht, ohne fließend Wasser, Strom oder Internet. Er berichtete davon, was sie dabei erlebt und gelernt hatten.
Mr. und Mrs. White feierten ein Jubiläum: Seit drei Jahren sind die beiden jetzt finanziell unabhängig und ohne normale Jobs. In ihrem Vortrag zogen sie ein Resümee, erzählten was sie mit ihrer Freiheit angestellt haben, welche Fehler ihnen unterlaufen sind und was sie für die Zukunft geplant haben.
Und auch ich habe einen kleinen Vortrag gehalten, in dem ich die Stuff Cloud und die Macht des Nichtkaufens vorstellte.

Ein Portal für die europäische FIRE-Bewegung

Schon während der Konferenz hatten sich einige Teilnehmer mit der Frage auseinandergesetzt, wie man die europäische FIRE-Community besser vernetzen und für mehr Informationsaustausch sorgen könnte. Im Gegensatz zu den USA, wo die FI-Bewegung gut organisiert ist und in regem Austausch steht, sind wir Europäer noch ein ziemlich versprengter Haufen. Erfahrungen und Know-How werden kaum über Landesgrenzen hinweg geteilt.

Noch auf der FIWE haben wir darum die Website FIREhub.eu gestartet, ein zentrales Portal für Finanzielle Unabhängigkeit und Early Retirement in Europa.
Noch befindet sich die Seite im Aufbau – es gibt aber schon ein Blogverzeichnis, eine Facebook-Gruppe und einen Eventkalender. Außerdem entsteht gerade ein Wiki, in dem nach und nach alle Informationen zusammengetragen werden sollen, die für FIRE in Europa relevant sind.

Nach dem Wochenende fuhr etwa die Hälfte der Teilnehmer noch weiter hinaus aufs Land zur FIWE Extra. Die fand in Mr. und Mrs. Whites Heimat statt – einem kleinen Städtchen im ländlichen Rumänien. Dort verbrachten wir noch weitere drei Tage mit Grillen, Plaudern, Lieder dichten und Philosophieren. Ich glaube, ich habe in dieser Woche so viel geredet wie zuvor im ganzen Jahr zusammen nicht. Es gab so viel, worüber man sich austauschen konnte. Jeder hatte andere interessante Erlebnisse und Geschichten zu erzählen.

Falls ihr neugierig seid: Auf der Seite von whatlifecouldbe.eu findet ihr jede Menge Fotos von dem Event.

Normalerweise hätte ich für all diese Reisen meinen gesamten Jahresurlaub verbrauchen müssen. Aber ohne Job war das ganz easy. Ich musste keinen Urlaub beantragen und hatte auch kein Urlaubskonto, von dem mir die Tage abgezogen wurden.

Neue Freundschaften

Wenn ich nicht gerade verreist war, war ich diesen Sommer fast jeden Tag draußen auf dem Skateboard unterwegs. Da wir ja gerade erst nach Hannover gezogen sind, war das eine prima Möglichkeit, um Leute kennen zu lernen und neue Freundschaften zu schließen.

Mittlerweile kenne ich die meisten Skateplätze in Hannover, bin Mitglied in einigen Skater-WhatsApp-Gruppen und kenne ein Dutzend nette Menschen aus der Gegend, mit denen ich mich zum Skaten verabreden kann.

Meiner Erfahrung nach ist es viel einfacher neue Leute kennen zu lernen, wenn man frei hat und nicht Vollzeit arbeiten muss. So hat man immer Zeit, spontan länger zu bleiben oder sich einer Unternehmung anzuschließen, wenn die anderen sich verabreden. Es gibt mehr Gelegenheiten für Unterhaltungen und gemeinsame Erlebnisse, die verbinden und Freundschaften entstehen lassen.

Wenn man immer nur ein paar Stunden nach Feierabend oder am Wochenende raus gehen kann, ist das viel schwieriger. Oft bleiben dann nur noch die Arbeitskollegen, unter denen man leicht neue Bekanntschaften schließen kann.

Alte Freundschaften

Neben einigen neuen Bekanntschaften habe ich die Zeit aber auch genutzt, um alte Freunde wieder zu sehen. Während wir in England wohnten, habe ich viele davon nur selten oder gar nicht zu Gesicht bekommen. Das konnte ich jetzt in aller Ruhe nachholen.

An einem Abend bin ich für den Geburtstag eines Freundes nach Braunschweig gefahren, meine alte Heimatstadt. Statt aber gleich am nächsten Tag schon wieder zurück zu reisen, habe ich gesagt: Ich habe Zeit. Ich bleibe einfach so lange ich Lust habe und irgendetwas auf dem Programm steht.

Am Ende bin ich schließlich eine ganze Woche in Braunschweig geblieben. Ich war skaten, habe noch mehr Freunde getroffen, war spontan auf einer Geburtstagsparty, habe mit Freunden Musik gemacht und bei zwei Umzügen mitgeholfen. Irgendwas ging eigentlich immer.

Finanzielle Freiheit ist alternativlos

Leider hat man für alle diese schönen Dinge kaum noch Zeit und Energie übrig, wenn man jeden Tag arbeiten gehen muss. Ein Vollzeitjob nimmt in der Regel ein so großes Tortenstück von der verfügbaren Lebenszeit ein, dass alle anderen Aktivitäten an den Rand gedrängt werden.
Und ich habe noch nicht einmal Kinder. Sollte ich irgendwann mal eine Familie gründen, dürfte die verfügbare Freizeit dann wohl gegen null gehen.

Die finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen – oder zumindest die Freiheit, weniger und selbstbestimmter arbeiten zu können – ist für mich darum eigentlich alternativlos.

Nachdem ich zwei Jahre lang in einem 9-to-5-Job  gearbeitet habe, habe ich diesen Sommer die Vorteile dieser Freiheit hautnah erlebt.
Ich kann verreisen, ohne mir Urlaub nehmen zu müssen. Ich kann generell viel spontaner sein. Es ist schon Mitternacht, aber das Bloggertreffen oder die Skatesession machen gerade Riesenspaß? Egal, ich kann am nächsten Tag einfach länger schlafen oder mich mittags nochmal eine Runde aufs Ohr hauen.

Ich bin ausgeruhter und kann mir mehr Zeit lassen. Was es dringendes zu erledigen gibt, kann ich auch am nächsten Tag noch schaffen.
Das Leben ist gemütlicher und entspannter, ich bin weniger gestresst.

Ich kann mich mit den Dingen beschäftigen, die mir Spaß machen und die mich an dem Tag gerade interessieren. Ich habe Lust heute einen Blogartikel zu schreiben? Dann schreibe ich eben einen. Oder bin ich heute schreibfaul? Dann übe ich Gitarre, lese ein Buch oder putze mein Fahrrad. Niemand schreibt mir vor, was ich wann erledigen soll.

Ein paar Stunden die Woche für jemand anderen zu arbeiten (auch gegen Geld) ist dabei vielleicht gar nicht mal schlimm. Aber der Job sollte nicht alle anderen Beschäftigungen dominieren. Und im besten Fall möchte ich mir aussuchen können, wann genau ich die Arbeit erledige. Deadlines und feste Arbeitszeiten passen mir nicht so gut in den Kram.

Natürlich bringt diese Freiheit auch neue Verantwortungen mit sich. Man braucht ein bisschen mehr Selbstdisziplin, weil der Arbeitsvertrag als Motivator wegfällt.
Wenn man für alles mehr Zeit hat, wird die Zeit auf einmal weniger wert. Man schafft weniger und fällt leichter in Müßiggang. Ich muss also eine andere Motivationsquelle finden als meinen Job. Aber diese Selbstdisziplin aufzubringen ist für mich das kleinere Opfer als der chronische Zeitmangel, der durch Vollzeitarbeit entsteht.

Und so geht es jetzt bei uns weiter

Seit Anfang Oktober arbeite ich nun wieder 40 Stunden in der Woche. Allerdings habe ich noch keinen neuen Job in Hannover angefangen, sondern arbeite noch bis Ende des Jahres für meine alte Firma in England.

Als ich dort im Juli gekündigt habe, hatte ich angeboten, dass ich von Zuhause aus an meinem Projekt weiterarbeiten könnte.
Die Firma willigte ein, und so kann ich nun bequem am heimischen Schreibtisch arbeiten – ohne Fahrradtour und ständige Reifenpannen. Da ich nicht mehr angestellt bin, sondern als Freelancer auf Tagesbasis arbeite, kann ich mir die Arbeitszeit relativ frei einteilen. Dazu werde ich auch noch deutlich besser bezahlt. Kein schlechter Deal also. 😉

Joana hat im August ihren neuen Job in einer Werbeagentur angetreten. Bisher gefällt es ihr dort sehr gut.
Allerdings hatten wir zu dem Zeitpunkt noch keine Ahnung, wo ich in Hannover einmal arbeiten würde. Unser Plan sah darum so aus: Sobald ich auch einen Job habe, suchen wir uns eine Wohnung, die möglichst nah an unseren beiden Arbeitsplätzen liegt. Eine Situation wie in England, wo wir beide eine Stunde zu unseren Jobs pendeln mussten, wollten wir dieses Mal auf jeden Fall vermeiden.

Joana hat sich nun erst einmal ein günstiges WG-Zimmer zur Zwischenmiete gesucht, während ich fürs Erste Quartier im Haus meiner Eltern bezogen habe. Die wohnen praktischerweise am Stadtrand von Hannover, rund 45 Fahrradminuten von Joanas WG entfernt. Hier wohne und arbeite ich nun für ein paar Monate im Gästezimmer.

Bisher liegen wir ganz gut im Plan und ich habe in der Zwischenzeit auch einen passenden Job in Hannover gefunden: Im Januar fange ich als Java-Entwickler in einer kleinen Software-Agentur an.
Diese Woche haben wir auch einen Mietvertrag für eine Wohnung unterschrieben. Nach rund 7 Jahren in Studentenwohnheimen, Untervermietungen und verschiedenen WGs ziehen wir am 1. Dezember zum ersten Mal in unsere eigene kleine Wohnung. Mit dem kurzen Arbeitsweg hat es jedenfalls geklappt: Keiner von uns muss weiter als zwei Kilometer mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.

Und noch etwas wird anders sein als bisher. Denn mein neuer Job ist keine 40-Stunden-Stelle mehr. Stattdessen werde ich in Zukunft nur noch 24 Stunden pro Woche als Angestellter arbeiten.

Nebenbei will ich mein Nebengewerbe als Webentwickler und Programmierer weiter ausbauen. Als freiberuflicher Softwareentwickler kann ich höhere Stundensätze verlangen – und somit bei gleicher Arbeitszeit mehr Geld verdienen. Verdiene ich mit dem Nebengewerbe nicht mehr als in meinem Hauptjob, dann zahle ich auf die Nebeneinkünfte auch keine zusätzlichen Krankenkassenbeiträge.

Aber der wohl wichtigste Grund ist noch ein anderer: Als Teilzeit-Selbstständiger kann ich mir meine Arbeitszeit viel freier einteilen.
Ich kann nachmittags mal spontan skaten gehen und dafür an einem verregneten Samstagvormittag arbeiten. Oder im Sommer einfach mal ein paar Wochen lang gar keine Aufträge annehmen und relaxen. Dank meiner Festanstellung bin ich auf die Nebeneinkünfte ja nicht zwingend angewiesen. Etwas mehr Freiheit also, bei hoffentlich ähnlichem (oder höherem) Verdienst.

Wie war euer Sommer so?
Habt ihr auch schon mal ordentlich rumgepimmelt oder hättet Lust dazu?

Und gibt es hier in Hannover Leser und Frugalisten, die demnächst mal Lust auf ein Meetup hätten? 🙂

Der Beitrag Ausgepimmelt! Ein Sommer ohne Arbeit – und wie es jetzt bei uns weiter geht erschien zuerst auf Frugalisten.

Fünf Alternativen zur finanziellen Freiheit

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Ein Gastartikel von Patrick Hundt

Bestimmt erinnert ihr euch noch an Patrick. Vor anderthalb Jahren schrieb er für seinen Blog Healthy Habits einen Artikel über die Finanzielle Freiheit, in dem auch ich vorkam.
Es war mein allererstes Interview – noch bevor die Medien auf das Thema aufmerksam wurden. Der Finanzrocker kürte den Artikel sogar zum „mit Abstand besten Finanzartikel“ 2017.

Doch für Patrick waren damit noch nicht alle Fragen beantwortet. Denn auch er war, obwohl er erst Mitte 30 war, durch seine Ersparnisse und seine Einnahmen als Blogger und Buchautor bereits finanziell frei. Allerdings wusste er nicht so richtig, was er mit seiner neu gewonnenen Freiheit anstellen sollte.
Darum beschloss er, diesem Thema ein Buch zu widmen. Dafür wollte er Menschen finden, die ebenfalls finanziell frei waren oder es sein wollten und sie fragen, welche Erfahrungen oder Vorstellungen sie mit ihrem Leben ohne Job verbanden. Auch mich besuchte Patrick für ein ausführliches Interview hier in Hannover.

Doch überraschenderweise stieß Patrick bei seiner Recherche auch auf Menschen, welche die Finanzielle Unabhängigkeit am Ende doch nicht anstrebten. Sie hatten alternative Wege gefunden, mehr Freiheit in ihrem Leben zu gewinnen, ohne für die Rente mit 30 oder 40 zu sparen.
Aber bevor ich zu weit aushole, lasse ich ihn ihn heute einfach selbst zu Wort kommen. Bühne frei für Patrick! 🙂

Patrick Hundt mit Buch Ich gönn mir Freiheit

Vor anderthalb Jahren stieß ich zufällig auf einen Begriff, der mich anschließend für eine lange Zeit nicht mehr loslassen sollte: finanzielle Freiheit. Die Idee, allein von den Erträgen meines Vermögens zu leben, begeisterte mich sofort. Vielleicht hätte ich sie als wahnwitzig abgetan und einfach weitergeklickt, wäre ich nicht schon immer sparsam gewesen.

In meiner Jugend verteilte ich Werbeprospekte und zahlte den größten Teil meines Einkommens aufs Sparbuch ein. Nach dem Abitur studierte ich dual, auch, weil ich fürs Studieren bezahlt wurde. Was nach Abzug meiner Kosten übrig blieb, überwies ich auf ein Tagesgeldkonto. In meinem ersten Job nach dem Diplom verdiente ich nur 1.000 Euro im Monat, trotzdem legte ich etwas auf die hohe Kante. Später konnte ich meine Einnahmen deutlich steigern und ordentliche Ersparnisse aufbauen.

Deshalb tat ich die Idee von finanzieller Freiheit nicht als verrückt ab, sondern steigerte mich immer weiter hinein. Ich las jedes Blog und jedes Buch und hörte jeden Podcast, den ich finden konnte. Zeitweilig war es das Einzige, das mich interessierte, und ich verlor sogar die Lust zu arbeiten. Ein paar Monate machte ich nichts anderes, als über Geld und Freiheit nachzudenken und den Rest meiner Zeit irgendwie zu vertrödeln. Bald wusste ich nicht mehr viel mit mir anzufangen. Erst als ich einsah, dass dieses Verhalten nicht als Zukunftsmodell taugt, entschloss ich mich, mir eine neue Aufgabe zu suchen. Ich verband die neue Leidenschaft mit meiner Arbeit. „Ich bin Autor“, dachte ich mir, „also schreibe ich ein Buch.“

Ich nahm mir vor, Menschen kennenzulernen, die finanziell frei sein wollen. So traf ich beispielsweise Oliver und sprach mit ihm über sein großes Ziel und wie er es zu erreichen gedenkt. Auch mit zwei Familien sprach ich, die sich dieses Ziel gesteckt haben. Später traf ich Menschen, die bereits heute von ihrem Vermögen leben, obwohl sie alle noch keine 50 Jahre alt sind. Sie erzählten mir von ihrem Weg in die Freiheit und verrieten mir, was sie mit ihrer freien Zeit anfangen.

Von ihren Antworten war ich nicht überrascht, aber dennoch ein wenig ernüchtert. Diese finanziell freien Menschen führen ein ganz normales Leben. Überwiegend tun sie die Dinge, die sie schon immer getan haben, nehmen sich nun aber mehr Zeit dafür: Sie kümmern sich um den Haushalt, bereiten Mahlzeiten zu, treiben Sport und gehen ihren Hobbys nach. Manche von ihnen verreisen häufig, andere aber kaum. Ihr Leben erschien mir zu gewöhnlich, um dem großen Traum von der finanziellen Freiheit gerecht zu werden.

Auch Oliver erzählte mir, dass er noch nicht wisse, wie er seine Freiheit in Zukunft gestalten wolle. Als wir uns trafen, gönnte er sich gerade eine Auszeit. „Finanzielle Freiheit auf Probe“ nannte er das. „Ich bin zurzeit völlig unproduktiv“, erzählte er mir damals. Die Freiheit sei für ihn zu früh gekommen, denn er könne noch nicht vollständig mit ihr umgehen. Lieber wolle er über die Jahre in sie hineinwachsen.

Langsam begann ich mich zu fragen, warum man eigentlich jahrzehntelang nach etwas streben soll, von dem man nicht weiß, ob es so großartig sein wird, wie man es sich vorstellt. Wäre es nicht sinnvoll, sich schon jetzt mehr Freiheit zu gönnen als erst in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren? Deshalb sprach ich auch mit Menschen, denen genau das gelingt.

Unter ihnen sind einige, die ursprünglich nach finanzieller Freiheit strebten, dann aber einen anderen Weg wählten. Sie entschieden sich gegen eine finanzielle Freiheit, die in einer ungewissen Zukunft liegt, aber für Freiheit und Glück in der Gegenwart. Deren Wege möchte ich in diesem Text vorstellen. Es sind fünf Alternativen zur finanziellen Freiheit.

1. Frühzeitig aussteigen und etwas dazuverdienen

Volker sparte schon eine ganze Weile für die finanzielle Freiheit. Um nie wieder arbeiten zu müssen, hätte er seinen lukrativen Job in der Bank noch einige Jahre behalten müssen. Anschließend wäre er durch gewesen. Doch als seine Kinder sechs und acht Jahre alt waren, stellte er sein Ziel infrage. „Jetzt wollen sie noch Zeit mit mir verbringen“, dachte er. „In ein paar Jahren kommen sie nur noch zum Essen und zum Schlafen nach Hause.“ Dann wäre er zwar finanziell frei, hätte aber von seinen Kindern nicht viel mitbekommen.

Bevor Volker zu dieser Erkenntnis gelangte, hatte er ein bestimmtes Vermögen angestrebt, das es ihm ermöglicht hätte, von Mieteinkünften und Depotentnahmen nach der 4-Prozent-Regel zu leben. »Eine hohe Zahl, die nur auf das Vermögen abstellt, führt ein bisschen in die Irre«, sagt er heute. Sie lenke davon ab, dass es andere Möglichkeiten gibt, als mit einem Vollzeitjob und einer hohen Sparquote auf die finanzielle Freiheit zu warten. Volker begriff, dass er aufgrund seiner Ersparnisse längst frei genug war, sich einen anderen Weg zuzutrauen.

Deshalb kündigte er seinen Job bei der Bank in dem Wissen, dass er noch Einkünfte benötigen wird. Seit zwei Jahren ist Volker Papa und Hausmann. Er kümmert sich liebevoll um seine Kinder, spielt mit ihnen, macht Hausausgaben, unterstützt sie bei ihren Hobbys. Auch den Haushalt erledigt er, sodass seine Frau sich auf ihre Karriere konzentrieren kann. Denn im Gegensatz zu ihm hat sie noch lange nicht genug von ihrem Beruf.

Volker wird in Zukunft noch etwas dazuverdienen müssen. Bis zur Rente benötigt er im Monat etwa 500 Euro, damit seine Familie sich für seinen Traum nicht finanziell einschränken muss. Am liebsten würde er sich in der Selbständigkeit ausprobieren, deshalb spielt er gerade verschiedene Ideen durch. Vielleicht wird er aber auch auf Projektbasis für seinen früheren Arbeitgeber arbeiten. Wie auch immer seine berufliche Zukunft aussehen wird, Volker ist froh das mit der finanziellen Freiheit nicht durchgezogen zu haben, sondern sich schon jetzt Freiheit und Zeit mit seinen Kindern zu gönnen.

2. Von vorn anfangen

Auch Thomas wollte finanziell frei sein. Er hielt es für ein lohnenswertes Ziel, das er mit etwa 50 Jahren erreicht haben wollte. Doch auch ihm ging es nicht schnell genug. Um seinen 40. Geburtstag herum dachte er ernsthaft darüber nach, sich einen anderen Beruf zu suchen, anstatt noch zehn Jahre etwas zu tun, das ihn nicht mehr erfüllte.

Seine Arbeit als Ingenieur war gut bezahlt, aber es war nichts, von dem er am Abend mit Stolz seiner Frau berichtete. Schließlich hatte er nichts anderes getan, als acht Stunden vorm Computer zu sitzen. Was gibt es da zu erzählen? Deshalb rang Thomas sich dazu durch, noch einmal von vorn zu beginnen. Über mehrere Monate horchte er in sich hinein, was er wirklich wollte. Auch von Büchern ließ er sich inspirieren.

„Meine endgültige Entscheidung tauchte während dieses Prozesses schon sehr früh in meinen Gedanken auf“, erzählte er mir. „Ich traute mich nur noch nicht, sie mir einzugestehen.“ Die Wahl seines neuen Berufs beruhte auf seinem Wunsch, mit jungen Menschen zu arbeiten. Es macht ihm großen Spaß, ihnen etwas beizubringen. Das tat er schon, als er noch selbst zur Schule ging und seinen Mitschülern half und später, als er Nachhilfe gab. Auch im Schachverein unterstützt er am liebsten junge Spieler. Und genau das tut er auch heute in seinem neuen Beruf als Lehrer.

Finanziell frei wird Thomas in zehn Jahren vermutlich trotzdem sein, weil er sparsam ist und sein Geld klug investiert. Doch es wird nur ein schöner Nebeneffekt seiner Lebensweise sein, aber nichts, das er sich dringend wünscht. Vermutlich wird er weiterleben wie bisher, wenn er dieses Ziel erreicht hat, denn glücklich ist er jetzt schon.

3. Regelmäßige Auszeiten nehmen

Tanja und Stephan arbeiten beide im öffentlichen Dienst. Sie lieben ihre Berufe nicht und wenn sie genug Geld hätten, um nie wieder arbeiten zu müssen, würden sie sofort in den Ruhestand gehen. Dennoch ist die Arbeit für sie keine Qual, denn sie verbringen gern Zeit mit ihren Kollegen. Etwas mehr Urlaub dürfte es allerdings schon gern sein, deshalb gönnen die beiden sich jedes Jahr eine Auszeit in Form eines Sabbaticals.

Immer zum 1. Dezember reichen sie ihren Antrag für ein neues Sabbatjahr ein. Zwölf Monate lang bekommen sie ein um 8 Prozent reduziertes Gehalt, dafür dürfen sie den November komplett freinehmen. Alles zusammengenommen – Jahresurlaub, Überstunden und Auszeit – ergibt für Tanja und Stephan etwa drei Monate Urlaub im Jahr. In ihrer freien Zeit sitzen sie nicht zu Hause rum, sondern bereisen die Welt. In den letzten Jahren waren sie schon auf den Philippinen, den Niederländischen Antillen, in Kambodscha, Namibia, Jordanien, Dubai, und mehrmals in Thailand.

Finanziell frei wollten sie nie werden und sie haben auch kein Vermögen angespart. „Was nutzt es mir, im Alter noch 100.000 Euro auf dem Konto zu haben, aber nicht mehr krauchen zu können?“, fragte Stephan mich, als wir in seiner Stammkneipe saßen. Trotzdem können er und seine Frau sich den Gehaltsverzicht und die langen Reisen leisten, weil sie genügsam leben. Zweimal sechs Wochen Urlaub im Jahr sind ihre Art, sich Freiheit zu gönnen. Bis zur Pensionierung lasse es sich so wunderbar aushalten, erzählten mir die beiden.

4. Selbständig arbeiten

Adam möchte nicht aufhören zu arbeiten. „Selbst wenn ich bis fünfzehn Minuten vor meinem Tod arbeiten muss, werde ich es mit Freuden tun“, erzählte er mir. Er möchte die Arbeit jedoch über seine Lebenszeit verteilen, denn Zeit sei wertvoller, wenn man jung ist, sagte er. Seine Zwanziger und Dreißiger seien die Zeit für Spaß und Experimente. Da wolle er nicht jede Woche vierzig Stunden arbeiten, sondern nur so viel wie nötig, um seine Lebenshaltungskosten zu bestreiten und noch etwas anzusparen, oder so viel, wie es ihm Freude bereitet.

Den Schlüssel zur Freiheit sieht Adam in der selbständigen Arbeit. Sie garantiere zwar keinen Reichtum, dafür aber die Möglichkeit, sich schöne Projekte auszusuchen und dann zu arbeiten, wenn es gerade passe. Vor einigen Jahren gründete Adam ein sogenanntes Lifestyle-Business, das schöne Einnahmen erzielte, nachdem er es einmal aufgebaut hatte. Aufwand investierte er anschließend nur noch wenig – zu wenig, wie sich bald herausstellte. Das Online-Geschäft schlief irgendwann ein. Später gründete er ein zweites Business, das ihm allerdings zu aufwendig wurde.

Heute hat er eine Arbeit gefunden, die ihm liegt und die ihm ein hohes Maß an Freiheit gewährt. Er ist Buchautor. Adam schreibt ein bis zwei Verlagsbücher im Jahr und lebt von den Tantiemen sowie von Vorträgen. Da Adam sparsam ist, kann er es sich leisten nur Bücher über Themen zu schreiben, die ihn interessieren. Andere Aufträge nimmt er nur an, wenn sie entweder äußerst gut bezahlt sind oder ihm Spaß machen.

Da er in seiner Arbeit sehr effizient ist, kann er mehrere Monate im Jahr blau machen. Adam bezeichnet sich selbst als Teilzeitfaulpelz. Den Sommer möchte er mit möglichst wenig Arbeit in Berlin genießen. Dann trifft er sich oft mit Freunden und hängt mit denen im Park herum. Im Winter wechselt er in den Arbeitsmodus. Dafür reist er allerdings oft ins warme Ausland. Als wir im Januar telefonierten, lebte und arbeitete er gerade auf einer thailändischen Insel.

5. Kürzertreten

Auch Sandra möchte heute nicht mehr arbeiten als nötig. Vor einigen Jahren sah das noch anders aus. Damals hatte sie eine verantwortungsvolle Position in einer Agentur, die ihr Leben fast vollständig vereinnahmte. Regelmäßig arbeitete sie am Abend und am Wochenende zu Hause. Wenn sie mit ihrer Tochter spielte, war sie in Gedanken oftmals im Büro. Irgendwann war Sandra mit den Nerven am Ende und körperlich erschöpft. Womöglich hatte sie ein Burnout, auch wenn sie glaubt, dass es ihr dafür noch nicht schlecht genug ging. „Ein Burn-out stelle ich mir so vor, dass man nicht mehr aufstehen kann und behandelt werden muss. So schlimm war’s ja nicht“, erzählte sie mir.

Als es gar nicht mehr ging, entschied sie sich für die Kündigung. In den nächsten sieben Monaten machte sie eine Auszeit und entschloss sich, nicht mehr in Vollzeit zu arbeiten und keinen verantwortungsvollen Job mehr anzunehmen. Sie wollte einen Gang herunterschalten. „Downshifting“ hieß das neue Motto.

Sie suchte eine neue Arbeitsstelle, die sie in Teilzeit ausüben kann und bei der sie kaum Verantwortung übernehmen muss. Die Höhe des Gehalts war nachrangig. Es sollte lediglich genügen, um ihre sparsame Lebensweise zu finanzieren.

Heute ist Sandra im Callcenter eines Start-ups beschäftigt. Sie arbeitet nur noch sechs Stunden am Tag und hat den Kopf frei, sobald sie das Büro verlässt. Auch vor dem Montag graue es ihr nun nicht mehr, erzählte sie mir. Sie könne am Sonntagabend mit ihrer Tochter spielen, ohne an den nächsten Tag zu denken.

Viele meiner Gesprächspartner, die ich für mein Buch traf, erinnern sich mit Freude an Phasen in ihrem Leben, in denen sie in Teilzeit arbeiteten. Im Rückblick, sagten sie, sei es die beste Zeit in ihrer Karriere gewesen. Die Teilzeit-Arbeit habe das Leben nicht zu sehr bestimmt, aber gleichzeitig hätten sie eine Aufgabe gehabt. Auch Oliver kann der Teilzeit viel abgewinnen. Seit er wieder in Deutschland lebt, arbeitet er nicht mehr in Vollzeit und ist damit offenbar sehr glücklich.

Eine Gemeinsamkeit

Egal, ob sie finanziell frei sind, es noch werden wollen oder einen ganz anderen Weg gehen: Die Menschen, mit denen ich sprach, haben eines gemeinsam. Sie können sich ihre eigene Vorstellung von Freiheit leisten, weil sie genügsam leben. Thomas, der seinen Beruf wechselte, versicherte mir, er habe sich den Neuanfang nur deshalb zugetraut, weil er über ein finanzielles Sicherheitspolster verfügte. Adam, der Buchautor, kann seine Arbeit und seine Arbeitszeit auch deshalb so frei wählen, weil er genug Ersparnisse hat, um einige Jahre ohne Einkommen leben zu können. Selbst jene Menschen, die keine großen Rücklagen haben, wie die Sabbatical-Fans Tanja und Stephan, können sich ihre Freiheit leisten, weil sie im Alltag genügsam konsumieren und ihr Geld nur für das ausgeben, was sie wirklich glücklich macht. Ihre Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst sind ohnehin sicher, sodass sie ohne Ersparnisse keine Angst vor einem Jobverlust haben müssen.

Sparsam zu leben, lohnt sich folglich auch dann, wenn man nicht finanziell frei werden möchte oder wenn das Ziel noch zu weit entfernt ist, um es greifen zu können. Denn wenn der Lebensunterhalt für eine längere Zeit gesichert ist, kann man schon bald mutige Entscheidungen treffen und sich jede Menge Freiheit gönnen.

Die vollständigen Geschichten von Volker, Thomas, Adam, Sandra, Tanja und Stephan sowie sieben anderen inspirierenden Menschen liest du in dem Buch Ich gönn’ mir Freiheit.

Ich gönn mir Freiheit Buch Patrick Hundt

 

Der Beitrag Fünf Alternativen zur finanziellen Freiheit erschien zuerst auf Frugalisten.

Steuern auf Kapitalerträge und wie man sie minimiert – Entnahmestrategien (Teil 7)

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Dies ist der siebte Teil meiner Serie Von den Zinsen leben – Entnahmestrategien unter der Lupe. Hier geht’s lang zum ersten Teil und zur Übersicht.

In den vergangenen Teilen der Serie sind wir tief in die Welt der Portfolio-Entnahmen eingetaucht.
Ein zentrales Thema haben wir bisher allerdings außer Acht gelassen. Wenn wir von unseren Kapitalerträgen leben wollen, kriegen wir es schließlich nicht nur mit dem Sequence-of-Returns-Risiko, sondern auch mit Vater Staat zu tun. Wir müssen Steuern auf unsere Zinsen, Dividenden oder die Kursgewinne unserer ETFs zahlen.

In der Finanzcommunity herrscht oft Unwissenheit darüber, wie viel Steuern man tatsächlich zahlen muss, wenn man als Privatier ganz oder teilweise von seinen Kapitalerträgen lebt.
Oft lese ich Aussagen wie diese:
Wenn du 2.000 € aus deinem Portfolio entnimmst, musst du noch 26 % Steuern abziehen, dann bleiben dir netto 1.480 €.

In fast allen Fällen ist das jedoch Quatsch. Je nach Kapitaleinkommen und Lebenssituation ist es als frugalistischer Privatier ziemlich leicht möglich, weniger als 5 % oder sogar überhaupt keine Steuern zu bezahlen.

In diesem Artikel erkläre ich, wie die Besteuerung von Kapitalerträgen in Deutschland tatsächlich funktioniert – und wie man als Frugalist seine Steuerlast geschickt auf ein Minimum reduziert.

Worauf muss ich Steuern zahlen – und wann?

In Deutschland werden Steuern auf Kapitalerträge erhoben. Darunter fallen zum einen Ausschüttungen – also etwa Dividenden oder die Zinszahlungen einer Anleihe.
Die Kapitalertragssteuer wird dabei immer beim Zufluss der Erträge fällig. Wenn ich etwa Dividenden erhalte, wird die Steuer in der Regel sofort vom ausgeschütteten Betrag abgezogen.

Außerdem wird die Kapitalertragssteuer auch auf Kursgewinne erhoben. Habe ich eine Aktie für 50 € gekauft und verkaufe sie für 70 € wieder, muss ich die Differenz von 20 € versteuern.
Auch Kursgewinne werden wieder erst bei Zufluss des Ertrags versteuert. Daher muss ich die Steuer erst dann zahlen, wenn ich die Aktie tatsächlich verkaufe und den Kursgewinn realisiere (eine Ausnahme bildet die Vorabpauschale bei Fonds).
Besitze ich also eine Aktie, die im Wert steigt, aber keine Dividende zahlt, muss ich keinen Cent Steuern zahlen – solange ich die Aktie nicht verkaufe.

Soviel dazu, was genau versteuert wird. Jetzt schauen wir uns an, welcher Steuersatz auf diese Kapitalerträge angewendet wird.

Der Standardfall: Die Abgeltungssteuer

Wenn irgendwo davon die Rede ist, dass man auf Kapitalerträge 25 % oder 26 % Steuern zahlen muss, dann ist damit meist die Abgeltungssteuer gemeint. Diese wurde in Deutschland im Jahr 2009 eingeführt.

Kapitalerträge gehören normalerweise zu den sieben Einkommensarten des Einkommenssteuergesetzes. Damit müssten sie eigentlich mit der regulären Einkommenssteuer versteuert werden – wie auch ein Angestelltengehalt oder Einnahmen als Freiberufler.
Bei der Einkommenssteuer kommt der persönliche Steuersatz zur Anwendung, der von der Höhe des gesamten Jahreseinkommens abhängt. Je mehr ich verdiene, desto mehr Steuern muss ich prozentual auf mein Einkommen zahlen.

Für Kapitalerträge hat sich der deutsche Staat jedoch eine Sonderregel einfallen lassen. Die lautet etwa so:
Kapitalerträge werden einfach pauschal mit 25 % versteuert, unabhängig von deren Höhe oder dem sonstigen Einkommen.

Auf diese 25 % werden dann noch der Solidaritätszuschlag und ggf. die Kirchensteuer aufgeschlagen. Unterm Strich erhält man so einen Steuersatz von 26,375 % – oder knapp 28 %, wenn man in der Kirche ist.

Der Einfachheit halber rechne ich in den folgenden Rechenbeispielen immer ohne die Kirchensteuer.

Steuerhack 1: Die Günstigerprüfung

Zum Glück ist die Abgeltungssteuer nur die halbe Wahrheit. Denn es gibt eine weitere Sonderregel, die uns massiv in die Karten spielt: Die Günstigerprüfung.

Wenn ich nach Ablauf eines Jahres meine Steuererklärung abgebe, zählt das Finanzamt alle meine Einkünfte zusammen und ermittelt daraus meinen persönlichen Einkommenssteuersatz. Mit diesem Steuersatz wird dann mein gesamtes Einkommen des vergangenen Jahres versteuert. Bis auf die Kapitalerträge natürlich, die ja mit der Abgeltungssteuer versteuert werden – normalerweise.

Wenn ich im Steuerformular jedoch die Günstigerprüfung beantrage, dann prüft das Finanzamt, ob ich mit dem persönlichen Steuersatz weniger Steuern entrichten würde als bei Anwendung der Abgeltungssteuer. Ist das der Fall, dann werden meine Kapitalerträge nicht mit der Abgeltungssteuer, sondern mit meinem persönlichen Steuersatz versteuert. Und der ist in vielen Fällen deutlich niedriger als 25 %.

Man könnte die Besteuerung von Kapitalerträgen für Privatiers in Deutschland also folgendermaßen zusammenfassen:

Auf Kapitalerträge zahlt man den persönlichen Einkommenssteuersatz, höchstens jedoch 26,375 % (bzw. ~28 % als Kirchenmitglied).

Wie viel Steuern zahle ich nun in der Praxis?

Die Frage ist also: Bis zu welchem Einkommen ist der persönliche Steuersatz niedriger als die Abgeltungssteuer? Um das herauszufinden, werfen wir einen Blick in die Grundtabelle der Einkommenssteuer. Aus dieser geht der jeweilige Einkommenssteuersatz für jedes Einkommen hervor.
Außerdem können wir noch den Sparerpauschbetrag (801 € für Singles oder 1.602 € für Verheiratete) mit einberechnen, bis zu dem Kapitalerträge grundsätzlich steuerfrei sind.

Es zeigt sich: Im Jahr 2019 liegt das Bruttoeinkommen, bis zu dem der persönliche Steuersatz niedriger als die Abgeltungssteuer ist, bei etwa 4.340 € für Singles oder rund 8.680 € für Verheiratete. Ein Einkommen in dieser Höhe dürften die meisten Frugalisten für die finanzielle Unabhängigkeit gar nicht benötigen.

Wir können also schlussfolgern:

  • Den maximalen Steuersatz von 26,375 % zahlt man als Privatier nur, wenn man Einnahmen von über 4.340 € im Monat hat (als Single). Damit dürfte die Abgeltungssteuer für die meisten Frugalisten in der Entnahmephase irrelevant sein. In den meisten Fällen kommt der persönliche Einkommenssteuersatz mittels Günstigerprüfung zur Anwendung (und wenn nicht, lässt sich auch bei einem Steuersatz von 26 % vom Rest noch sehr gut leben 😉 ).
  • Wem Kapitaleinkünfte von monatlich 831 € (Single) bzw. 1.662 € (Verheiratete) zum Leben ausreichen, der braucht gar keine Steuern zu bezahlen. Die Einkünfte liegen dann unterhalb der Freibeträge (9.168 € Einkommenssteuer-Grundfreibetrag plus 801 € Sparerpauschbetrag).
  • Wer als Single 1.300 € im Monat zum Leben benötigt, der muss dafür Kapitalerträge in Höhe von 1.433 € erwirtschaften und zahlt 9 % Steuern.

Steuerhack 2: Nur Erträge müssen versteuert werden

Und schon liegen wir statt der bedrohlich wirkenden 26 % nur noch bei einem Steuersatz von unter 10 %.
Doch das war noch längst nicht alles.

Wenn ich aus meinem Vermögen Geld entnehme, muss ich nicht zwingend auch die gesamte Entnahme versteuern.
Schließlich zahle ich Steuern nur auf Kapitalerträge (also Ausschüttungen und Kursgewinne), nicht aber auf das Grundkapital, das ich selbst investiert habe. Das stammt ja im Regelfall aus meinem Arbeitseinkommen und wurde bereits zum Zeitpunkt der Gehaltszahlung versteuert.

Angenommen, ich bespare 15 Jahre lang ein thesaurierendes ETF-Portfolio. Am Ende der 15 Jahre beträgt der Wert des Portfolios 500.000 €. Von diesem Vermögen habe ich 300.000 € selbst investiert, die restlichen 200.000 € sind Kursgewinne, die im Laufe der Zeit dazugekommen sind.

Wenn ich mein Vermögen in der Entnahmephase verbrauche, kann ich die selbst investierten 300.000 € steuerfrei entnehmen. Versteuern muss ich nur den „Gewinnanteil“ von 200.000 €.

Angenommen, ich entspare das beschriebene Portfolio 50 Jahre lang und verbrauche in dieser Zeit den selbst eingezahlten Anteil vollständig.  Im Schnitt kann ich dann 500 € im Monat (300.000 € × 1/50 Jahre × 1/12 Monate) steuerfrei entnehmen. Diese 500 € sind steuerrechtlich überhaupt kein Einkommen, da es ja quasi mein eigenes, bereits verdientes Geld ist, das ich mir aus meinem Depot wieder auszahle. Zusammen mit den 831 €, die ich durch die Freibeträge schon steuerfrei entnehmen kann, käme ich so auf ein auskömmliches, steuerfreies Einkommen von 1.331 € im Monat.

Die Steuerlast geschickt über das Leben verteilen

Die Tatsache, dass ich mein investiertes Kapital bei der Entnahme nicht erneut versteuern muss, eröffnet mir einigen Gestaltungsspielraum.
Angenommen ich befinde mich mit Mitte 40 in der Entnahmephase und habe mehrere Kinder im Teenageralter. In dieser Zeit werden meine Ausgaben im Vergleich zum Rest meines Lebens vermutlich am höchsten sein.

Hier wäre vorteilhaft, wenn ich hauptsächlich mein selbst eingezahltes Kapitals verbrauche, um so mein zu versteuerndes Einkommen niedrig zu halten.
Im Alter, wenn die Kinder aus dem Haus sind, sinken meine Ausgaben dann wieder in die Nähe des Grundfreibetrags. Dann kann ich meine Vermögensgewinne realisieren, ohne hohe Steuersätze zu fürchten.

Übrigens: Wer nur von den Dividenden leben und sein eingezahltes Kapital nicht entsparen möchte, der muss immer auf die gesamte „Entnahme“ Steuern entrichten und kann diesen Trick nicht anwenden.

Steuerhack 3: Das LiFo-Prinzip

Durch das gezielte Entsparen von selbst investiertem Kapital oder Kursgewinnen kann ich meine Steuerlast also noch weiter senken.

Doch wie kann ich so genau steuern, welcher Teil meiner Entnahme aus meinem investierten Grundkapital besteht und welcher aus Kapitalerträgen?
Hier macht uns eine Besonderheit der Besteuerung von Kursgewinnen das Leben schwer: Die sogenannte First In, First Out- oder FiFo-Regel.

Was ist die FiFo-Regel?

Nehmen wir an, ich bespare über Jahre hinweg einen einzelnen thesaurierenden Fonds, etwa einen ETF auf den MSCI ACWI.
Im ersten Monat der Ansparphase erwerbe ich einen ETF-Anteil für 20 €. Anschließend kaufe ich viele Jahre lang jeden Monat einen weiteren Anteil dazu. Da der Kurs des ETFs mit der Zeit steigt, zahle ich im Laufe der Jahre immer mehr Geld für jeden neuen Anteil – und meine bereits erworbenen Anteile steigen im Wert.

Nach einigen Jahren gehe ich schließlich in Rente. Im letzten Monat der Ansparphase erwerbe ich noch einen ETF-Anteil für 99 €.
Anschließend beginne ich, mein Portfolio zu entsparen. Im ersten Monat der Entsparphase verkaufe ich einen Anteil, dessen Kurs bei mittlerweile 100 € liegt.

Doch welchen Anteil habe ich dabei genau verkauft? Meinen ersten Anteil, für den ich 20 € bezahlt habe, und auf dem mittlerweile ein Kursgewinn von 80 € liegt? Oder den letzten Anteil, für den ich 99 € bezahlt habe, der also nur 1 € Kursgewinne enthält?

Hier kommt die FiFo-Regel ins Spiel. Das Finanzamt sagt:
Bei Teilverkäufen identischer Wertpapiere aus einem Depot werden die zuerst gekauften Wertpapiere auch zuerst wieder verkauft („First In, First Out“-Prinzip).

Das bedeutet: Mein zuerst erworbener Anteil ist auch beim Verkauf als erster an der Reihe.
Und das ist suboptimal, da ich beim Verkauf den höchsten Kursgewinn von 80 € versteuern muss. Zahle ich beispielsweise den Abgeltungssteuersatz, behält das Finanzamt gleich 21,10 € (80 € × 26,375 %) meines Gewinns ein.

Viel lieber wäre es mir, wenn stattdessen mein zuletzt gekaufter Anteil verkauft wird. Da dieser nur einen Euro Kursgewinn aufweist, hätte ich hier lediglich 0,26 € Steuern gezahlt.

Wie entkommt man der FiFo-Regel?

Leider wird sich das Finanzamt nicht überreden lassen, meinen letzten Anteil anstelle des ersten zu verkaufen.

Eine Möglichkeit, die FiFo-Regel zu umgehen wäre es, statt einer einzelnen großen Fondsposition zeitlich hintereinander mehrere kleine zu besparen. Dann kann ich diese in der umgekehrten Reihenfolge wieder entsparen, für mich selbst also LiFo-Prinzip („Last In, First Out“) anwenden.

FiFo-Regel und LiFo-Prinzip Steuern ETFs

So könnte man beispielsweise alle paar Jahre seine ETFs wechseln und die „alten“ Positionen nicht weiter besparen. Oder man eröffnet ab und an ein neues Depot und bespart seine ETFs dort in einer neuen Fondsposition weiter.

Doch es gibt noch einen einfacheren und eleganteren Weg, die FiFo-Regel zu umgehen.

LiFo per Depotübertrag

Jeder Broker bietet die Möglichkeit, Wertpapiere wie Aktien oder Fondsanteile vom einen auf ein anderes Wertpapierdepot zu transferieren: Den Depotübertrag. Dabei können auch nur einzelne Teile einer Wertpapierposition übertragen werden.
In diesem Fall wird ebenfalls die FiFo-Regel angewendet – es werden also prinzipiell die zuerst gekauften Anteile zuerst übertragen.

Halte ich nun beispielsweise eine Fondsposition mit 100 Anteilen und möchte nur den zuletzt gekauften Anteil verkaufen, übertrage ich einfach 99 Anteile auf ein anderes Depot. Durch die FiFo-Regel werden dabei die 99 Anteile übertragen, die ich zuerst gekauft habe. Der zuletzt verkaufte Anteil verbleibt als einziger im alten Depot und ich kann ihn problemlos verkaufen.

Für dieses Verfahren muss ich nicht einmal zwingend ein weiteres Depot bei einem anderen Brokern eröffnen. Bei einigten Onlinebrokern, etwa der comdirect oder der Consorsbank, ist es möglich Unterdepots zu eröffnen, die ich für das Hin- und Herschieben der Fondsanteile nutzen kann.

Steuerhack 9000: Zieh doch nach Zypern

Das waren jetzt natürlich alles nur die Basics. Die unendlichen Weiten des deutschen Steuerrechts bieten noch tausende weitere Optimierungsmöglichkeiten. Angefangen bei der Ausschöpfung von Pauschbeträgen wie Sonderausgaben oder Werbungskosten bis hin zur vermögensverwaltenden GmbH. Welche Kniffe für einen selbst praktikabel sind, hängt dabei von der persönlichen Lebenssituation und den eigenen Vorlieben ab.

Wer bereit ist, zumindest für eine Weile seine deutsche Heimat aufzugeben, dem steht sogar die ganze Welt der internationalen Steueroptimierung offen.
Ein kleines aber feines Beispiel: In Ländern wie Großbritannien, Malta, Irland oder Zypern kann man als Ausländer den sogenannten Non-Domiciled-Status erwerben. Durch diesen muss man  ausländische Einkünfte – also etwa Kapitalerträge in einem deutschen Depot – für einen gewissen Zeitraum nicht versteuern.
Damit man in Deutschland durch die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nicht trotzdem steuerpflichtig bleibt, muss man sich allerdings für mindestens 5 Jahre im ausländischen Steuerparadies niederlassen.
Wer also nichts dagegen hat, für ein paar Jahre nach Malta oder Zypern zu ziehen, der kann anschließend alle Kursgewinne der letzten Jahrzehnte steuerfrei realisieren.

Noch ein wichtiger Hinweis zum Schluss

Dieser Artikel spiegelt die aktuelle Gesetzeslage im Jahr 2019 wider. Wenn ich in zehn Jahren meine Entnahme starte, kann die Welt schon wieder ganz anders aussehen.

Die Abgeltungssteuer wurde gerade erst vor 10 Jahren eingeführt – und es wird schon wieder über ihre Abschaffung diskutiert. Bis 2009 waren Kursgewinne von Aktien noch steuerfrei. Die Pauschalbesteuerung von Investmentfonds gibt es seit 2018. Allein der Rückblick ins letzte Jahrzehnt zeigt: Im Detail ändern sich die Steuergesetze schneller, als man Einkommenssteuergrundfreibetrag sagen kann.

Eine Sache bleibt jedoch erfreulich konstant. Das gesetzliche Existenzminimum ist in Deutschland immer steuerfrei und wird es (wenn nicht gerade jemand radikal am Grundgesetz schraubt) auch noch für eine Weile bleiben.
Je dichter meine Ausgaben an diesem „Existenzminimum“ liegen, desto niedriger ist mein benötigtes Kapitaleinkommen – und desto niedriger wird auch mein Steuersatz bleiben.

Im nächsten Teil der Serie widmen wir uns einem weiteren Thema, um das sich frugalistische Privatiers Gedanken machen müssen: Der Krankenversicherung.

Der Beitrag Steuern auf Kapitalerträge und wie man sie minimiert – Entnahmestrategien (Teil 7) erschien zuerst auf Frugalisten.

Die Rente mit 40 ist tot

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Nanu, was ist denn hier los?
Die Rente mit 40 ist tot? Was hat denn so eine Überschrift auf dem Frugalisten-Blog zu suchen?

Wenn ich mittlerweile für etwas bekannt bin, dann doch für meinen Plan, mit 40 in Rente zu gehen. Seit ich vor über sieben Jahren die FIRE-Bewegung und die Idee der Finanziellen Unabhängigkeit für mich entdeckte, ist das schließlich mein erklärtes Ziel.

Bis ich vor einer Weile über einen Blogartikel stolperte, der mich zum Nachdenken brachte.
Aber fangen wir von vorne an.

So stellte ich mir mit 25 mein Leben vor

Es war kurz vor meinem 26. Geburtstag, ich hatte gerade mein Master-Studium an der Bremer Kunsthochschule begonnen. Langsam wurde mir bewusst, dass sich das schöne Studentenleben allmählich seinem Ende näherte. Coole Uni-Projekte mit freier Zeiteinteilung, Ausschlafen mitten in der Woche, tägliche Skate-Sessions und regelmäßige WG-Partys. Schon bald würde dieses Leben dem durchgetakteten Alltag im Vollzeitjob Platz machen – und das für die nächsten 40 Jahre.

So in etwa malte ich mir damals das Leben aus, das vor mir lag:

Leben ohne FIRE, Rente mit 67

Doch dann stieß ich im Herbst 2013 auf den Blog von Mr. Money Mustache und die FIRE-Bewegung. Financial Independence, Retire Early – das war die Lösung. Ich stellte eine kleine Überschlagsrechnung auf. Statt 40 Jahre lang Vollzeit zu arbeiten, könnte ich meine Karriere auf nur 13 Jahre eindampfen und mit 40 in Rente gehen:

Leben mit FIRE, Rente mit 40

Meine verbleibende Zeit auf diesem Planeten würde also aus zwei Teilen bestehen. Die Zeit vor 40, in der ich hart arbeitete und sparte aber eigentlich nicht so ganz das Leben führe, das ich mir eigentlich vorstellte. Und die FI-Phase, in der ich frei war und endlich machen konnte, was ich wollte.

Mit diesem Masterplan startete ich zwei Jahre später meinen ersten Job – und auch diesen Blog.

Die magische Summe X

Arbeite und spare für einige Jahre hart, bis du die magische Summe X zusammen hast. Dann bist du frei, kannst deinen Job kündigen und dein Leben genießen.
So in etwa lautet das simple Rezept der FIRE-Bewegung. Die magische Summe X – das ist je nach Geschmack etwa das 25-fache (oder auch das 30- oder 40-fache) deiner jährlichen Ausgaben.

Auch für Mr. Retire in Progress war genau das der Plan. Von ihm stammt der Artikel, der mich zu diesem Beitrag inspirierte.

Im Jahr 2012 nahm der gebürtige Italiener eine gut bezahlte Stelle als Softwareentwickler bei einem großen IT-Konzern in Zürich an. Die erste Zeit begeisterte ihn sein neuer Job. Doch je weiter er die Karriereleiter in der Firma emporkletterte, umso mehr wich die Begeisterung Resignation und Unzufriedenheit. In den letzten Jahren konnte Mr. RIP seine Arbeit schließlich gar nicht mehr ertragen. Er nahm Elternzeit, so lange er nur konnte, und ließ sich sogar wegen Burnout eine Weile krankschreiben.

Doch er biss weiter die Zähne zusammen. Denn mit seinem guten Gehalt lag die magische Summe X, die Schwelle zur finanziellen Unabhängigkeit, nur noch ein paar Jahre entfernt.
Erst im Februar 2020, nachdem er sich einige Jahre gequält hatte, kündigte Mr. RIP schließlich seinen Job. Und das, obwohl er bereits ein Vermögen von über einer Million Euro angespart hatte. Selbst in der teuren Schweiz könnten er und seine Familie davon einige Jahrzehnte gut leben, ohne für Geld arbeiten zu müssen.

Während er hart arbeitete und für sein Ziel sparte, hatte Mr. RIP etwas übersehen.

Finanzielle Unabhängigkeit ist ein Spektrum

Kritische Stimmen oder schlecht recherchierte Zeitungsartikel behaupten manchmal, mein Plan von der Rente mit 40 könne aus irgendwelchen Gründen „nicht aufgehen“.
Oder es heißt, Frugalisten würden jahrelang – möglicherweise vergebens – auf ein fernes Ziel in der Zukunft sparen.

Es klingt, als gäbe es nur zwei mögliche Ausgänge: Entweder bin ich mit 40 finanziell frei – oder ich bin gescheitert. Dabei übersieht die Kritik, dass man nicht erst mit einem großen Vermögen finanziell frei ist. In Wahrheit macht mich jeder gesparte Euro ein Stück freier, von Anfang an.

  • Wenn ich einen Puffer in Höhe meiner Jahresausgaben angespart habe, juckt es mich nicht mehr, wenn ein Kunde seine Rechnung nicht pünktlich bezahlt oder meine Waschmaschine kaputt geht.
  • Mit dem 5-fachen meiner Jahresausgaben nehme ich keinen Job mehr an, zu dem ich eine Stunde pendeln muss.
  • Mit den 10-fachen Jahresausgaben ist es mir egal, wenn meine Firma Kurzarbeit anordnet (oder freue mich sogar darüber). Wenn ich Papa werde, entscheide ich frei, ob ich ein, zwei oder drei Jahre Elternzeit nehme.
  • Beim 20-fachen meiner Jahresausgaben arbeite ich nur noch, wenn es mir Spaß macht.
  • Mit dem 40-fachen ist es mir komplett egal, ob ich mit irgendetwas noch Geld verdiene oder nicht.

Die magische Summe X ist nicht genau bestimmbar

Dazu kommt, dass ein FIRE-Plan aus jeder Menge Unbekannten besteht. Wie alt werde ich? Wie hoch sind meine Ausgaben in der Zukunft? Wie entwickeln sich die Finanzmärkte in den nächsten Jahrzehnten? Ich habe keine Ahnung!

Vielleicht würde schon das 15-fache meiner jährlichen Ausgaben für die finanzielle Freiheit genügen, weil ich weniger ausgebe als gedacht. Vielleicht muss ich aber auch das 40-fache ansparen, um für einen kommenden Börsencrash gerüstet zu sein.

Die benötigte magische Summe X hängt von so vielen Faktoren ab, dass man so eine Zahl überhaupt nicht genau festlegen kann. Wo soll man die scharfe Trennlinie ziehen, ab der ich sage Genau jetzt bin ich finanziell frei?

Finanzielle Freiheit auf einen fixen Vermögenswert oder ein bestimmtes Vielfaches der Ausgaben festzunageln, macht darum eigentlich keinen Sinn.

Nicht irgendwann frei, sondern immer freier

Viel sinnvoller ist es, finanzielle Freiheit stattdessen als Spektrum zu verstehen.

Ob ich mit dem 25-fachen meiner Jahresausgaben genau finanziell frei bin, kann ich nicht sagen. Aber ich bin damit schon ziemlich finanziell frei. Und auf jeden Fall freier als mit dem 5- oder 10-fachen.Das Finanzielle-Freiheit-Spektrum

Es gibt also nicht wirklich diesen einen Moment, auf den ich jahrzehntelang hinarbeite und ab dem ich plötzlich finanziell unabhängig bin. Sondern ich gewinne mit jedem gesparten Euro mehr und mehr Unabhängigkeit.

Auch in der Frugalismus-Definition von Florian Wagner steckt genau dieser Gedanke:

Frugalisten sind Menschen, die […] durch ein passives Einkommen finanziell immer unabhängiger von einem Arbeitseinkommen werden.

(Quelle: Zollern Alb Kurier: Über Geld, Glück und was man wirklich braucht: Florian Wagner aus Balingen stellt sein Buch vor)

Die „Rente mit 40“ sollte auch ein Spektrum sein

Finanzielle Freiheit ist also ein Spektrum. Aber warum lege ich dann immernoch einen Zeitpunkt oder ein bestimmtes Alter fest, an dem ich in Rente gehen will?
Damit unterteile ich das fließende Freiheits-Kontinuum doch wieder in zwei scharf voneinander getrennte Hälften Arbeiten und Freiheit – mit der magischen Summe X, dem 25-fachen meiner Jahresausgaben, als willkürliche Trennlinie.

Finanzielle-Freiheit-Spektrum vs. Klassischer FIRE PlanUnd noch etwas stimmt an diesem Modell nicht. Wenn ich genügend gespart habe, dass ich allmählich meiner magische Summe X näher komme, habe ich schon ein hohes Maß an finanzieller Freiheit erreicht. Trotzdem lebe und arbeite ich weiter so, als hätte ich nicht einen müden Euro auf der hohen Kante. Und das auch noch in meinen 20ern und 30ern, während meiner besten Jahre.

Mr. RIP schlägt in seinem Artikel deshalb etwas anderes vor. Wenn Financal Independence ein Spektrum ist, dann sollte man auch den Retire Early-Teil als Spektrum begreifen:

Teile dein Arbeitsleben nicht in zwei Hälften. Es gibt kein Vorher und Nachher auf der Finanziellen Seite, also sollte es auch kein Vorher und Nachher auf Seite der Arbeit geben.

„Let’s not split your work life in two. There’s no before and after on the financial side, let’s not have a before and after on working side as well!“ – Mr. Retire in Progress

Das bedeutet: Man sollte die wachsende finanzielle Freiheit regelmäßig auch in echte Veränderungen in seinem Leben umsetzen, welche diese Freiheit mehr und mehr ermöglicht.

Mr. RIP verharrte weiter in seinem ungeliebten Job und wartete auf den magischen Tag X, obwohl er vielleicht schon zu 70 oder 80 % finanziell unabhängig war. Nach seiner Kündigung stellte er fest:

Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich meinen letzten Job […] schon 2-3 Jahre vorher kündigen und etwas anderes ausprobieren.
Vielleicht wäre ich inzwischen 2-300k weniger reich, aber ich könnte dafür immer noch gerne Software schreiben und generell glücklicher sein.

„But if I could go back in time I’d quit my last job at Hooli 2-3 years before, and would try something else. Maybe I’d be 2-300k less rich by now, but I might also be still in love with writing software, and generally happier.“ – Mr. Retire in Progress

Das Leben im FIRE-Spektrum

Ein Lebensentwurf, bei dem man Early Retirement als Spektrum begreift, könnte laut Mr. RIP zum Beispiel so aussehen:

  • Arbeite und spare bis du ungefähr 20-30 % der „traditionellen“ finanziellen Freiheit erreicht hast. Dieses Vermögen nutzt du, um einen entspannteren Job zu finden oder deine Arbeitszeit auf 80 % zu reduzieren.
  • Sobald du 50 % FI bist, überlegst du, wie dein idealer Tag aussehen könnte. Dann fängst du an, dein Leben in diese Richtung umzugestalten. Mache längere Sabbaticals, arbeite nur noch 60 % oder nimm einen schlechter bezahlten, aber erfüllenderen Job an. Lass dein Vermögen weiter für dich arbeiten.
  • Wenn du 80 % FI bist, bist du eigentlich schon frei. Finanziell kann dir nichts mehr passieren, solange du deine Zeit und deine Fähigkeiten für irgendetwas produktives einsetzt, was dir Spaß macht.

Rente mit 40 als Spektrum

Mit nur 60.000 € Vermögen den sicheren Job kündigen

Völlig revolutionär ist die Idee des FIRE-Spektrum natürlich nicht. Aber als bewusst angestrebter Lebensentwurf war dieser Gedanke für mich neu.
Als ich so weiter darüber nachdachte, stellte ich fest, dass andere Frugalisten und Blogger dieses Prinzip – bewusst oder unbewusst – auch schon angewendet hatten.

Keiner der genannten war bereits vollständig finanziell unabhängig – aber weit genug auf dem FIRE-Spektrum, um einen Schritt hin zu mehr Selbstbestimmung und Zufriedenheit zu unternehmen.

Hoppla, ich habe es ja auch schon getan

Und dann merkte ich plötzlich, dass ich das FIRE-Spektrum auch schon angewendet hatte – ohne dass ich es als Teil eines übergeordneten Plans begriffen hatte.

Als ich vor 5 Jahren meinen ersten Job antrat, arbeitete ich Vollzeit und hatte einen langen Arbeitsweg. Zusätzlich hatte ich noch ein Kleingewerbe und arbeitete nach Feierabend und am Wochenende an Kundenprojekten. Es war eine spannende Zeit, in der ich viel lernte und den Grundstein für meine künftige Karriere als Software-Entwickler legte. Für einen Berufsanfänger verdiente ich gutes Geld, hatte dafür aber auch wenig Freizeit.

Zwei Jahre später beschloss ich, dass ich so nicht bis 40 weiter machen wollte. In der Zwischenzeit hatte ich über 70.000 € angespart – etwa das siebenfache meiner Jahresausgaben. Ich nahm mir drei Monate unbezahlt frei. Anschließend reduzierte ich meinen Angestelltenjob auf 60 % und fokussierte mich etwas mehr auf meine Selbständigkeit.

In den ersten beiden Jahren lief die Nebentätigkeit schleppend. Was das Ziel der frühen Rente anging, schaffte ich es gerade so „im Plan“ zu bleiben. Doch dafür hatte ich schon nach zwei Jahren Arbeiten und Sparen deutlich mehr Freiheit und Selbstbestimmung gewonnen.

Mit Kindern ist frühe Freiheit noch wertvoller

Als kinderloses Paar kann man die ganze Woche über arbeiten und hat immer noch viel Zeit für Hobbys, Entspannung und Sozialkontakte übrig. Mit Kindern sieht das anders aus. Seit wir unsere Kleine haben denke ich öfter, dass eine vorgezogene Teil-Freiheit heute wertvoller sein könnte, als ein oder zwei Jahre früher in die Vollrente zu gehen.

Im Augenblick befinde ich mich in der Rush Hour des Lebens, in der ich gefühlt alles gleichzeitig mache. Außerdem ist meine Tochter jetzt klein und süß. Von einer Stundenreduktion oder ein paar Elternzeitmonaten profitiere ich heute vermutlich mehr, als mit 40 den gesamten Tag frei zu haben. Dann geht die Kleine in die Grundschule und hat mit Sicherheit weniger Lust, den ganzen Tag mit Papa abzuhängen.

Die Rente mit 40 ist tot – Lang lebe die Rente mit 40!

Was genau bedeutet diese Erkenntnis jetzt für meinen Masterplan, mit 40 in Rente zu gehen?

Ich werde meinen Plan erst einmal so beibehalten. Mittlerweile interpretiere ich ihn aber weniger als ganz konkretes Ziel, sondern mehr als Leitlinie oder Wegweiser, der eine grobe Marschrichtung anzeigt. Auf keinen Fall werde ich meine Lebensqualität in der Gegenwart dem Erreichen dieses Ziels unterordnen.
Stattdessen werde ich in jeder Lebenssituation prüfen:

  • Macht mir das, was ich gerade für Geld arbeite, Spaß?
  • Bringt es mich persönlich weiter und lerne ich etwas Neues?
  • Werden andere Lebensbereiche (Familie, Sport, Hobbys) dadurch zu stark einschränkt?
  • Kann und sollte ich mir vielleicht hier und da schon etwas mehr Freiheit gönnen?

Wie könnte das konkret aussehen?

Im Moment habe ich nicht das Bedürfnis, etwas an meiner beruflichen Situation zu ändern. Ich arbeite in einer tollen Firma, meine 60 %-Arbeitszeit bietet genau die richtige Balance. Zudem deckt sich meine Arbeitszeit mit den Betreuungszeiten der Kinderkrippe, so dass ich unsere Kleine morgens mit in die Stadt nehmen und nach Feierabend wieder abholen kann. 🙂

Meine Selbständigkeit läuft immer besser und entwickelt sich langsam zu einem soliden zweiten Standbein. Das hat uns dieses Jahr gut dabei geholfen, den Verdienstausfall durch Joanas Elternzeit zu kompensieren.

Aber werden unsere Lebenssituation und unsere Bedürfnisse in zwei oder drei Jahren immer noch die gleichen sein? Wer weiß.
Vielleicht bekommen wir noch mehr Kinder – dann könnte ich z.B. länger in Elternzeit gehen. Vielleicht reduziere ich meine Stunden im Job noch weiter oder pausiere meine Selbstständigkeit während der Sommermonate. Oder ich verzichte irgendwann ganz auf den Angestelltenjob oder das Nebengewerbe, weil mir eine Einkommensquelle ausreicht.

Ich habe alle Optionen und werde vielleicht die ein oder andere schon in meinen 30ern ausschöpfen. Auch wenn das dazu führt, dass ich mir mit 40 die vollständige finanzielle Freiheit noch nicht leisten kann.

Dass ich ganz bilderbuchmäßig zum 40. Geburtstag meinem Chef die Kündigung auf den Tisch knalle, wird in der Form wohl eher nicht passieren. Denn diesen magischen Tag X gibt es im FIRE-Spektrum nicht. Oder wie Mr. RIP es ausdrückt:

Der Tag an dem du die Finanzielle Freiheit erreichst, sollte einfach ein normaler Tag sein. Ein Tag, an dem du keine drastische Veränderung machst, weil du bereits seit Jahren auf dein ideales Leben zusteuerst.

„The day you reach FI should just be a normal day, a day where you don’t make any drastic change because you are already moving toward your ideal life since years.“ – Mr. Retire in Progress

Der Beitrag Die Rente mit 40 ist tot erschien zuerst auf Frugalisten.

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